Max Frankl & Nil Wogram

Max Frankl
Max Frankl
Nils Wogram
Nils Wogram

Review und Interview Hinterzarten Nov 2011

Gitarre und Posaune, das ist eine zwar selten gehörte, aber ausgesprochen attraktive Kombination zweier sehr gegensätzlicher Instrumente: Auf der einen Seite das doch recht filigrane Saiteninstrument mit reichhaltigen harmonischen Möglichkeiten, aber eingeschränkter Variation in der Tonbildung; auf der anderen Seite das mächtige Blechinstrument mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Klangmodulation, aber einer (weitgehenden) Beschränkung auf lineares Spiel. Im Rahmen seiner internationalen Klassik- und Jazz-Woche präsentierte nun das kulturell ambitionierte Parkhotel Adler in Hinterzarten einen Duo-Abend mit Max Frankl an der Gitarre und Nils Wogram an der Posaune.

Der eine aus Bayern, der andere aus Niedersachsen gebürtig, beide aber mittlerweile in der Schweiz lebend und unterrichtend. Der Abend stand unter dem Motto "Our Favourite Standards" und bot eine feine Auswahl an Klassikern wie 'Gee babe ain't I good to you', 'The song is you', 'I concentrate on you', 'Relaxin' at Camarillo', 'Beatrice', 'Peace', 'Isfahan', aber auch eine bluesige Komposition von Nils Wogram mit dem Titel 'Listen to your woman'. 

Obwohl beide Musiker in anderen Formationen häufig moderne bis hin zu experimentellen Tönen anschlagen, versuchten sie an diesem Abend nicht, die Repertoireklassiker harmonisch oder melodisch zu modernisieren, sondern präsentierten ein traditionelles Programm konsequent im traditionellen Idiom. Wogram vereinigt an der Posaune den Klangzauberer, der die gesamte Bandbreite an Tonmodulationen seines Instruments auslotet, mit dem kreativen, flüssigen Improvisator, der - obwohl ausgewiesen als moderner Experimentator - in allen klassischen Jazzstilen (Blues, Swing, Bossa, Bebop, Balladen) zu Hause ist. 

Herrlich seine klangmalerische Imitation des bekannt cholerischen Gemüts von Charles Mingus in dessen Komposition 'Nostalgia on Times Square' (Mingus' Wutausbrüche gingen ja dem Vernehmen nach bis zum Kontrabass-Weitwurf). Max Frankl entschied sich an diesem Abend für eine sehr gradlinige Begleitung mit schlanken, nur selten alterierten Harmonien und lieferte dem Solisten eine sehr stabile Begleitung, die zudem die Struktur der Stücke auch für weniger geübte Zuhörer jederzeit nachvollziehbar machte. Mühelose Wechsel zwischen Bigband-artigem Rhythmusspiel und Fingerstyle mit schön fließenden Basslinien sorgten für Abwechslung. In seinen Soli setzte Max überwiegend auf Single-Notes-Spiel mit viel Fluss und interessanten Wendungen, die die Spannung hochhielten. Die Herausforderung, solche Soli in einer Duobesetzung mit einem Blasinstrument zu begleiten, löste Nils Wogram überzeugend vor allem durch Basslinien mit viel Klangmodulation, auch mittels Dämpfer.

Das Konzert war für Max und Nils zwar die Premiere als Duo, aber man merkt, dass die Musiker schon seit längerem in diversen größeren Besetzungen zusammenspielen. Sie hören sehr genau aufeinander und lassen ein exzellentes Verständnis für die musikalischen Ideen und Absichten des Partners erkennen. Zudem haben sie an diesem Abend gezeigt, dass sie nicht nur auf hohem Niveau, sondern auch unterhaltsam und kurzweilig - schließlich ist Nicht-Spezialisten diese Kombination von Instrumenten ja alles andere als vertraut - ein passendes Programm im traditionsbewussten Hotelambiente spielen können.

Vor dem Konzert hatte ich die Gelegenheit, länger mit Max Frankl zu sprechen. Besonders interessierte mich, wie sich seine Karriere seit dem Interview entwickelt hat, das Andreas Polte vor ziemlich genau drei Jahren mit ihm für Archtop Germany geführt hat (http://www.archtop-germany.de/-Spieler/Interviews/Frankl/frankl.html). Damals war gerade 'Sturmvogel' erschienen, eine viel beachtete CD im Quintett, überwiegend mit Eigenkompositionen und co-produziert durch seinen Lehrer und Mentor Wolfgang Muthspiel. Kurze Zeit danach erschien dann auch ein Interview im amerikanischen Magazin 'Just Jazz Guitar', das seinen Bekanntheitsgrad sicher auch noch einmal beträchtlich erhöht haben dürfte.

Max erzählte mir, dass sich in der Tat in diesen drei Jahren ungeheuer viel getan hat. Zunächst einmal war da eine längere Tournee durch Deutschland und die Schweiz mit dem 'Sturmvogel'-Quintett, auf der die Stücke und die Band über einen längeren Zeitraum sich entwickeln und so weiter reifen konnten. Dazu kamen bis heute jede Menge weiterer Konzerte mit wechselnden Besetzungen, so u.a. mit dem Projekt 'Francis Drake', in dem Max an diversen Gitarren gemeinsam mit Max von Mosch (sax, cl) und Henning Sieverts (b, vc) Klangräume, die durch Geschichten und Erzählungen inspiriert sind, entwickeln und musikalisch füllen will. Dokumentiert sind diese schon fast kammermusikalischen Experimente auf der CD 'Francis Drake: Stories'. Und schon während der 'Sturmvogel'-Tour war die Anfrage vom DLF gekommen, ob Max als deutscher Vertreter mit dem European Jazz Orchestra (EJO) unter der Leitung von Peter Herbolzheimer 2009 auf Tournee gehen wollte. Im EJO kommen Musiker aus Ländern, deren öffentlich-rechtlicher Rundfunk der European Broadcasting Union (EBU) angeschlossen ist, für eine intensive Probenphase mit anschließender Europatournee zusammen. Die Arbeit mit dem EJO war, wie Max betont, eine hoch interessante Erfahrung, speziell die Zusammenarbeit mit Musikern aus so vielen Ländern (pro Land wird nur ein Musiker nominiert - also eine echte Auszeichnung für alle Nominierten, Max eingeschlossen!). Zudem hat ihn die Tournee innerhalb weniger Wochen durch eine Vielzahl von Ländern geführt (u.a. Polen, Tschechien, Slowenien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien), die man auch als Musiker nicht jeden Tag zu sehen bekommt.

Insgesamt fällt auf, dass Max von früh an regelmäßig in Big Bands gepielt hat; tatsächlich war ja, wie er schon vor 3 Jahren erzählt hat, die Schulbigband sein Start ins Jazzerleben, gefolgt vom Landesjugendjazzorchester Bayern, dem Bundesjazzorchester und dem EJO bis hin zu seiner aktuellen Arbeit mit dem Zürich Jazz Orchester, mit dem übrigens im April 2012 eine CD-Releasetour ansteht. So liegt die Frage nahe, was ihn an Bigbands interessiert und warum er für Bigbands interessant ist.

Zunächst einmal reizt Max an Bigbands, dass die Aufgaben für die Gitarre dort äußerst vielfältig sind: Sie reichen vom bloßen Beisteuern einer Klangfarbe über klassische Rhythmusarbeit bis hin zum Solieren, und dies in einem breiten Spektrum an Stilen wie Swing, Latin, Funk, Rock. Er selbst sieht es als seine Stärke an, dass er sich in diesen Stilen sicher bewegt und - ganz wichtig - das Blattspiel beherrscht sowie bereit ist, den nötigen erheblichen Aufwand in Vorbereitung und Proben zu stecken. Bigbands waren für Max über die Jahre ein wertvoller Kontaktpool, durch den er viele seiner bisherigen Mitmusiker kennengelernt hat und immer noch neue interessante Kollegen kennenlernt.

A propos stilistische Vielfalt: Mir scheint, dass Max sich immer sehr gezielt Lehrer ausgesucht hat, die ihm eine stilistisch breite Ausbildung vermitteln konnten. Ich habe ihn gebeten, seine wichtigsten Unterrichtsstationen zu charakterisieren und darzulegen, worin ihn die jeweiligen Lehrer vorangebracht haben.

Am Anfang, noch als Schüler, kam für Max die Initialzündung durch Martin Scales, der ihn überhaupt erst mit der Jazzgitarre und ihren Anforderungen und Möglichkeiten vertraut gemacht hat. In Amsterdam ist er 2003 mit Martin van Ijterson dann in die Tiefen des Bebop eingetaucht - van Ijterson brauchte nichts als Kaffee, Zigaretten und sein Instrument, dann gab es 'Bebop rauf und runter'. In Basel traf Max 2004 dann auf seinen, wie er sagt, wichtigsten Lehrer: Wolfgang Muthspiel. An Muthspiel hat ihn besonders beeindruckt, wie intensiv dieser seinen Schülern zuhört, wie tief sich ein international so renommierter und gefragter Musiker auf seine Schüler einlässt und nicht einfach nur Aufgaben vorgibt, die es dann zu bearbeiten gilt. Muthspiel lebt, so Max, eine große Verantwortung für seine Studenten und unterrichtet mit großer Hingabe. Besonders dankbar ist Max Wolfgang Muthspiel für dessen wertvolle Unterstützung bei der Produktion der 'Sturmvogel'-CD. Mittlerweile (2006) in Luzern, lernt Max mit Kurt Rosenwinkel eine Art Gegenentwurf zu Wolfgang Muthspiel kennen: ein oft in sich gekehrter Musiker, der sich mitunter vor lauter Leidenschaft für seine Musik nur schwer auf etwas anderes einlassen kann. Wenn etwa zu Unterrichtsbeginn noch ein Stück in ihm "brennt", muss er es erst noch alleine zu Ende spielen. Max ist Rosenwinkel dankbar dafür, dass er große Ernsthaftigkeit für alles, was er tut, vermittelt und zeigt, wie auch nach vielen Jahren der Beschäftigung mit der eigenen Musik das Feuer unvermindert in einem lodern kann. Frank Möbus schließlich, bei dem Max 2009 in Luzern sein Studium abgeschlossen hat, hat ihm neben dem rein Musikalischen auch Themen des professionellen Musikerlebens vermittelt, wie z.B. Vermarktung und Booking. Musikalisch stand bei Möbus ein sehr 'Berlinerischer' Ansatz im Fokus: Es ging weniger um Wohlklang, sondern viel mehr um harmonische, rhythmische und tonale Experimente.

Max Frankls Kalender ist auch aktuell gut gefüllt mit unterschiedlichen Projekten. Begeistert erzählt er von seinem Sextett mit Nils Wogram (tb), Domenic Landolf (ts, bcl), Pablo Held (p), Matthias Pichler (b) und Silvio Morger (d), für das er neues Material geschrieben hat und das in diesem Jahr mit einer CD im Gepäck auf Tour gehen soll. Ins Studio geht Max im Februar 2012 auch mit Reto Suhner (as), Dominique Girod (b) und Claudio Strüby (d), die für ihn zu den interessantesten Musikern der jungen Schweizer Jazzszene gehören und mit denen er kürzlich seine neue Working Band gegründet hat. Die CD wird co-produziert vom Schweizer Radio DRS und später im Jahr ebenfalls auf einer Tournee vorgestellt. Und da dann auch noch im April die bereits erwähnte CD-Releasetour mit dem Zürich Jazz Orchestra (mit Terminen auch in Deutschland) ansteht und er zudem regelmäßig in Baden (Aargau) und vertretungsweise in Basel und Luzern unterrichtet, kann Max sich über Mangel an Beschäftigung in seiner Schweizer Wahlheimat wahrlich nicht beklagen.

Überhaupt die Schweiz: Im Gespräch mit Max wird deutlich, wie sehr er es schätzt, seine musikalische Karriere in der Schweiz und aus der Schweiz heraus entwickeln zu können. Er liebt seine regelmäßigen Auftritte in Deutschland, genießt es aber auch, gewissermaßen von außen auf die deutsche Szene zu schauen. Die Schweizer Szene empfindet er als ausgesprochen agil und umtriebig. Hinzu kommt, dass es in der Schweiz interessante Möglichkeiten gibt, Musikprojekte zu finanzieren, da sich dort eine beachtliche Tradition des Mäzenatentums für Kunst und Kultur etabliert hat. Potentielle private oder öffentliche Mäzene schauen sich Projekte an und unterstützen bei Interesse deren Realisierung. Max betont aber, dass auch in der Schweiz niemand einem das Geld hinterherwirft, sondern dass hier sehr genau auf künstlerische Qualität geachtet und sorgfältig ausgewählt wird.

Ich bin sicher, dass Max Frankl die Qualität mitbringt, noch viele weitere interessante Projekte auf die Beine stellen zu können. Aber jetzt wünsche ich ihm und seinen Mitmusikern erst einmal viel Erfolg für die CDs und Konzerte, die dieses Jahr anstehen!

Dr. Michael Herweg

Max Frankl Homepage