Ansgar Specht

Ansgar Specht

Ansgar Specht gehört zu den wenigen Archtop-Gitarristen, die sich neben dem Live-Spiel unter anderem auch sehr stark mit dem Digital-Recording und seinen Möglichkeiten auseinandergesetzt haben.

Dass solche Produktionen nicht notwendigerweise kühl und steril klingen müssen, beweisen vor allem seine lezten beiden CD-Produktionen “Who cares” und “nu_bar_trax”, die ihre Lebendigkeit nicht zuletzt durch Ansgar´s ambitioniertes Spiel und diverse Gastmusiker erhalten haben.

Der humorvolle New York-Fan spielt in drei sehr unterschiedlichen Bands und beweist dabei eine enorme Bandbreite. Zur Zeit versucht er insbesondere seine eigene Band “Ansgar Specht Group” bekannt zu machen.

Hallo Ansgar, erzählst du uns zum aufwärmen ein bisschen über dein Equipment?

Ok, zur Zeit, genauer gesagt seit zwei Jahren spiele ich ein Ibanez "George Benson GB 5" Archtop, Baujahr `94. Also eine von den ersten. Diese Gitarre habe ich bei Winnie Beyer in Köln aufgetrieben und sie war in einen nicht guten Zustand. Ich habe sie aber trotzdem gekauft. Allerdings musste sie neu bundiert werden. Der Bielefelder Gitarrenbauer Ludger Wannenmacher, der sehr gute Akustiks baut, hat diese Arbeit perfekt ausgeführt. Auch er war von der GB 5 echt angetan und meinte es wäre ein sehr gesuchtes Teil... Die Gitarre ist mit 12er Thomastik bespannt, die halten ein paar Tage. Sind ja auch nicht billig... Verstärkt wird die Benson über einen Boogie MK 3 von '86. Der war noch nie kaputt. Es ist aber ein schwieriger Amp... ist man mal nicht so gut drauf... Du weißt schon... Er kann Dich aber auch belohnen. Zusammen mit einen Boss DD 3 und einem Boss Comp ergibt das einen Sound, der mich schon anmacht. Ich denke, die Benson ist für größere Lautstärken konstruiert ist, weil sie auch nicht pfeift. Wird es mal akustischer, so fehlt mir etwas das Holzige (...ist eben doch keine L5...). Im Studio fahre ich meinen Sound über das POD 2. Habe mir da ein Preset gebastelt was gut klingt, füge im Rechner noch etwas EQ und Hall dazu. Fertig. Natürlich habe ich verschiedene EQ Settings. Von dumpfen bis hellen Sounds. Das funktioniert echt prima. Das mache ich auch in Fremdstudios so und keiner hat sich bis jetzt beschwert...

Ich bin mir nicht sicher, ob alle hier wissen, was ein POD 2 ist. Erklärst du es bitte?

Das POD 2 ist ein digitaler Stereo-Modelling / Recording Preamp der Firma Line 6. Hier sind die gängigen Gitarrenverstärker nachgebildet plus Speakersimulation und Effektsektion. Natürlich stehen umfangreiche Editieroption bereit.

Wie bist du seinerzeit eigentlich auf Archtop-Gitarren gekommen?

Diesen Sound fand ich schon immer toll und fing ich erstmal mit Semis an (AS 200, ES 335). Aber so richtig archtopähnlich war das nicht und so versuchte ich es so um '82 mit ner Yamaha AE 1200, L5 Style. Ich muss sagen, das Teil klang ...hmm ..schlecht, richtig schlecht... Ich verkaufte sie mit Verlust, verkaufte die 335 und wurde, wie damals Mode... Stratist. Aber es musste edel sein. Also kam eine Strat von Dick Dijkman (NL) ins Haus. Da man zu dieser Zeit ja nur mit Jacket rumlief, passt die auch optisch zu einem. Aber auf dieser Strat konnte man BeBop spielen und in BigBands kam ich damit prima durch. Aber der gute Dick ließ das Holz nicht genug trocknen und so bekam der Nitro-Lack Risse... Risse, die Du (und jeder Vintage Freak), noch nie gesehen hast... Ein Schüler kaufte sie mir ab. Dann besorgte ich mir 'ne Ibanez "Frank Gambale", genau, die gelbe Flunder. War nicht schlecht, und da ich nicht viel Sonnenlicht abbekam, hatte meine Erscheinung mal etwas Farbe... Später hörte ich Gambale mit einer GB 10 und ich wurde wieder neugierig. Die Band in der ich spielte, löste sich auf. Ich machte mich mit meiner eigenen Band selbständig und nun war Platz für einen anderen Sound. Es funktionierte. Und endlich 'ne richtige Gitarre vorm Bauch. Es war aber auch ein neues Spielgefühl und daran gewöhnen musste ich mich schon. Wenn ich nun im Set mal meine Vintage Strat' 62 (Replika) spiele, fühlt sich das schon komisch an.

Wie lief deine musikalische Ausbildung ab?

Im Prinzip bin ich Autodidakt, aber so richtig ja auch nicht. Jazz studiert habe ich ja nicht, aber... Also der Reihe nach. Ich kam zur Gitarre mit 14. Mein Bruder hatte sich mal eine gekauft hatte aber keinen Bock zum Üben... Ja, und so gings los. Fünf Jahre später ging ich zu Philippe Caillat, einem französischen Studio und Jazzgitarristen, der in den 80ern mehrfach in Norwegen Jazzmusiker des Jahres war. Ich war sechs Jahre sein Schüler und es war wie ein Privatstudium. Wir haben alles ausgecheckt. Coltrane, Parker, Martino, Finnerty, Stern, usw. Soli analysiert. Ich wurde sogar in recht kurzer Zeit zum guten Notisten, was sich noch als recht nützlich erweisen sollte... Die Bücher die es damals gab ("Fusion" von Joe Diorio und die Berklee Reihe von "Lewitte"), habe ich mir tierisch reingezogen. Und ich habe geübt. Wie ein Bekloppter. Sah' immer nur Mond und Sterne. Und ich bekam die Gelegenheit in fast allen Stilistiken live zu spielen. Pop, Rock, Tanzmucke, Bigband, Künstlerbegleitung und war sogar mal mit 'ner Reggaeband unterwegs. Meistens spielte ich Jazzsoli bei deren Gigs. Die Rastas hatten richtig Spaß dabei. Ich spielte fast gleichzeitig in 8-10 Bands in einem Umkreis von 100 Kilometern. Es häuften sich Anfragen von Jazzstudenten, die in den Niederlanden studierten, auf deren Examensprüfungen zu spielen. Das ist eine Sache, die ich supergerne mache, obwohl der Probeaufwand oft recht hoch ist. Zu dieser Zeit war ich im Notenlesen recht fit und bin was das betrifft auch wieder schlechter geworden. Ich habe meinen Schwerpunkt auch neu definiert, weil sich auch die Tätigkeitsbereiche verlagert haben. Ab dem Punkt wo man als Gitarrist produziert und aufnimmt wird man zum Tontechniker und Produzenten. Das finde ich wichtig und gehört zum Berufsbild "Musiker" auch dazu. Und ich übe immer noch viel und gerne. Ich sitze eben mit Gitarre bequemer als ohne... Ganz klar, die Ausbildung bei Philippe Caillat, mit dem ich immer noch sehr gut befreundet bin, hat's echt gebracht. Ich versuche ständig mich zu entwickeln, packe mir jedes Solo was mich ankickt auf den Rechner und höre es raus. Das bringts. Und "live" spielen.

Was hast du derzeitig für Live-Projekte?

Ich bin mit meiner eigenen Band , der "Ansgar Specht Group" unterwegs, und versuche mit großen Engagement, diese Band zu pushen. Mit dabei ist auch der Drummer Dirk Brand, der zu den besten im Lande zählt und einige Schlagzeuglehrwerke beim AMA Verlag herausgebracht hat. Eine andere Band, die mir sehr am Herzen liegt ist das "Tobias Lüning Septett". Eine Bielefeld/Hamburger Formation. Drei Bläser sind dabei. Dann gibt es lockere Formationen für "Jobs " (Unterhaltungsmusik, Jazzlounges etc.). Das wird immer via Telefon abgemacht. Ich versuche aber, meine Leute zusammenzuhalten, auch weil so was meist besser bezahlt wird.

Deine letzten beiden CD-Produktionen im NuJazz-Stil "Who cares" und "nu_bar_trax" sind im Gegensatz zu deinen Live-Aktivitäten in erster Linie im Computer entstanden. Viele Jazz-Musiker mögen diese Art der Arbeit nicht gerne, aber ich denke, dass gerade NuJazz-Sounds anders gar nicht so realisierbar sind. Wie siehst du die Verzahnung von Jazz und Computer?

Gute Frage, da scheiden sich die Geister. Ich denke, jeder Musiker muss wissen welchen Weg er einschlägt und für mich war es eben so am besten. Im Prinzip bin ich, was diese Technologie angeht, ja schon spät dran. Ich habe dann aber Vollgas gegeben...

Es ist ja so, dass die Musik im Kopf entsteht. Das Transportmittel ist eben der Rechner und macht das Ganze greifbar. Egal ob Jazz ober Pop. Ich meine, so "richtig" Jazz mache ja auch nicht. Eher eine polierte Variante...

Es ist kein Geheimnis, dass ich auf das gute alte Rhodes und auf das Vibrafon abfahre. Diese Teil lade ich als virtuelles Instrument auf den Schirm. Und spielen muss ich es dann selbst. Mit Gitarrenakkorden und -linien. Ist doch geil. Hat was eigenes. Und ich kann kreativ üben. Alle Stilistiken. In allen Tonarten, das geht ganz schnell. Wer ständig damit arbeitet, wird sein Timing verbessern und superempfindlich, was Timingschwankungen angeht. Ich habe mir eine Sammlung aus Playalongs zusammengestellt (auch Giant Steps ist dabei,) die ich selbst kreiert habe. Das spart dann auch Geld.

Auch wenn ich dann mal Noten für Bläserstimmen brauche ist das echt easy. Es gibt aber auch einen großen Nachteil: Man arbeitet sehr isoliert, es sei denn, man hat jeden Tag Gastmusiker... Habe ich mal lange Tage und Nächte am Rechner gesessen möchte ich aber oft nur eines: Mit richtigen Musikern spielen. Das ist immer noch das Größte! Aber trotzdem: Die Arbeit mit dem Rechner hat aus mir einen bessern Musiker gemacht.

Wie gehst du ein neu aufzunehmendes Stück bis zur Fertigstellung an, angenommen mal Eines mit Gastmusiker und selbstverständlich eines deiner schönen Soli :-)

Idealerweise habe ich eine melodische Idee, die ich erstmal " einhacke " und dann harmonisch ausarbeite . Dann schaue ich, ob ich eine passenden Drumloop finde. Das muss aber nicht der endgültige Loop sein. Sehr oft kann es aber sein, das ich mit 'nem Drumloop beginne, mache `ne Bassline drauf und füge mit meiner Midi-Gitarre das Fender Rhodes hinzu. Gefällt mir das, suche ich das Thema, wozu sich auch der Fender Piano Sound anbietet. Die Audiospuren (Gitarre) nehme ich erst auf, wenn die Melodien endgültig festliegen. Das erspart mir `ne Menge Schnippelei . Und wenn ich dann meine, ein Saxofon muss her, ja, dann rufe ich eben einen an. Hier in Bielefeld gibt es einige hervorragende Saxofonisten. Muss ich ja mal sagen... Sollen die ein Thema spielen, gibts natürlich vorher ein Sheet. Ansonsten lasse ich die spielen und wir suchen das Beste heraus. Aufgrund der guten Editiermöglichkeiten von Cubase SX ist das kein Problem. Mit meinen Soli ist das ähnlich. Besonders bei schweren Themen. Aber die Soli versuche ich in "eins" durchzuspielen.

Auf meiner neuen CD habe ich das so gemacht. Das Solo auf “Roadsong” habe ich allerdings noch vor mir. Das wird tierisch lang, und eine echte Herausforderung...

"Road Song" ist nun nach "Estate" das zweite Standardthema, dass du für eine deiner CDs bearbeitest. Wie ist die Wahl auf diesen Montgomery-Klassiker gefallen?

Ich mochte das Stück schon immer. Und "live" spielen wir es ja auch. Allerdings in einer eher "triphoppigeren" Variante. Wir spielen es am Ende des Sets und die Solisten geben noch mal alles. Ich habe für dieses Stück extra ein Intro komponiert. Mit schrägen Akkorden. Also nichts für schwache Nerven. "Roadsong" hörte ich vor zig Jahren von einer der ganz frühen CDs von Vic Juris. Er hat nur einige Platten beim New Yorker Label "ZOHO" gemacht.

ZOHO Chef Jochen Becker lernte ich durch Zufall im ""Smoke" (Jazzclub in Upper Manhattan) kennen. Er lebt seit über 20 Jahren in N.Y. und ist Bielefelder. Immer wenn ich "drüben" bin treffen wir uns. Und wir sprechen dann kritisch über meine Releases (so schlimm wirds aber meist nicht...) Es war sogar im Gespräch, eine CD bei Ihm zu machen, haben den Gedanken wegen der anfallenden Kosten wieder verworfen.

Du scheinst ja sehr häufig nach N.Y. rüber zu jetten?

Das sind immer sehr kurze Trips, so maximal 4-6 Tage. Sobald ich denke, es könnte kohlemäßig hinhauen, mache ich das. Da kommen dann auch nur billige Hotels in Frage. Man ist ja immer eh' nur ein paar Stunden im Hotel, ansonsten eben auf der Straße, Jazzclubs (die man sich leisten kann) oder in der Subway. Ich habe schon viele lustige Leute getroffen, wie zum Beispiel den Brooklyner Gitarristen Ed Russell. Den traf ich vor vielen Jahren in der 55 Bar. Dort sind wir mal richtig abgestürzt... kann mal vorkommen. Was er jetzt so macht, keine Ahnung. Weiter traf ich Dave Stryker, Dave Fiucsynski und viele andere Musiker, die kein Mensch kennt und unglaublich spielen.

Diese Stadt ist eben meine große Liebe, daran wird sich nichts ändern und ansonsten leiste ich mir eben nichts. Am 3. April spielt Bill Connors in der 55 Bar, würde Ihn sehr gerne hören, habe aber die schwere Vermutung, das ich nicht wegkomme...

Kommen wir noch einmal zurück auf deine nächste CD. Was erwartet uns? Wann wird sie erscheinen?

Du hast den 7. Sinn. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Gestern nachmittag hat der Altsaxofonist sein (ausgezeichnetes) Solo gespielt und heute Nacht habe ich mir noch den Gesangspart des Sängers Qusai Zureikat angehört, in dem er eine Gitarre doppelt. Grandios. Vielleicht gebe ich ihm noch einen Part. Am Freitag nehmen wir dann in einem "richtigen" Studio den Trompeter Christian Kappe auf. Er gehört zu den Besten im Lande und bin froh, ihn für fünf Stücke dabei zu haben.

Musikalisch erwartet uns eine Melange aus (jazzigem) NuJazz, Drum'n Bass, TripHop und etwas Easy Listening (für die Rundfunkstationen). Es gibt wieder viel Rhodes und jazzige Gitarrensounds zu hören auch total kaputtes Zeug ist dabei. Auch die Taktarten in den Stücken variieren ( 7/4, 10/4, 9/4 usw ). Alles wird nicht mehr so glatt wie der Vorgänger. Na ja, bin ja eben ein schräger Vogel und jeder spielt eben so wie er ist. Ich hoffe das ich Mai/Juni alles fertig habe.

Prima, da freue ich mich drauf. Möchtest du noch etwas loswerden, was ich dich dummerweise nicht gefragt habe?

Ja, klar: Ich denke, wie sicher alle Musiker auch, dass Musikmachen die größte Sache der Welt ist. Was für ein Geschenk. Aber das Wichtigste ist doch, was mir gerade in letzter Zeit bewusst wurde, die Gesundheit. Und dass man nicht alles so tierisch ernst nimmt und vor allem nicht den Humor verliert, wenn es mal nicht so läuft. Es kommen wieder Zeiten wo es wieder abgeht. Man sollte auch über sich selbst mal lachen können. Und man sollte die Kollegen akzeptieren, so wie sie sind und wie sie spielen. Die Zeit ist zu schade um bei Anderen nach Fehlern zu suchen, sondern man sollte sich an schönen Dingen in deren Spiel erfreuen. Da gibts doch immer `ne Menge zu entdecken. Und nicht neidisch in der hintersten Ecke stehen. Jeder ist doch auf seine Art und Weise einzigartig. Jeder hat doch irgend etwas, was der andere nicht hat. Und wenn es nur Nuancen sind. Das ist doch was, oder ?

(07.03.2006)

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