Joachim Schönecker

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Joachim Schönecker

Joachim Schoenecker ist einer der wenigen deutschen Jazzgitarristen, die auch international Aufmerksamkeit erhalten. So betitelte ihn das amerikanische Online Magazin All About Jazz als „Germany’s best kept secret“. Aber so geheim ist die Musik Joachim Schoeneckers gar nicht mehr, denn seine vielfältigen nationalen und internationalen Aktivitäten, als Leader wie als Sideman, bescheren ihm beachtliche und wachsende Popularität. Auf mittlerweile drei CDs ist sein schöner Ton und sein einfühlsames, aber auch explosives Spiel zu hören, eine weitere ist in Vorbereitung.

Im Interview erzählt Joachim Schoenecker über seine Musik, Erlebnisse und Herausforderungen bei seinen Konzertreisen, Terminschwierigkeiten bei seinen Produktionen mit internationalen Stars, schöne aber launische Gitarren und seine Pläne für die Zukunft.

Lass uns zunächst über deine Ausbildung reden. Du hast in Hilversum studiert.

Ja, ich habe in Hilversum studiert, für 2 Jahre, und dann in Köln. In Hilversum hatte ich bei Wim Overgaauw Unterricht, das war zu der Zeit der Vater aller holländischen Jazzgitarristen, mittlerweile ist er leider verstorben. Und dann war ich in Köln bei Frank Haunschild.

Danach bist du nach Amerika gegangen?

Nein, ich war zwar ein paar Mal drüben, unter anderem wurde ich als Halbfinalist in der Thelonious Monk Competition nach Washington eingeladen. Ansonsten war ich während des Studiums und danach einige Male da, um Urlaub zu machen und Leute zu hören, aber immer nur für eine Woche oder so.

Du hast einige Platten mit amerikanischen Musikern aufgenommen.

Ja, aber das haben wir hier gemacht. Meine erste CD ist auf dem amerikanischen Label „Doubletime-Records“, von Jamey D. Aebersold, erschienen, die habe ich in Holland eingespielt, mit Jeff Hamilton, Larry Fuller und John Goldsby. John lebt ja eh hier, als Bassist der WDR Bigband, und Hamilton war damals öfter als Gast bei der Bigband. Er ist ab und zu eingestiegen wenn ich in Köln gespielt habe, so hat sich das ergeben.

Vergleicht man deine ersten beiden CDs, kann man eine deutliche Entwicklung erkennen, sowohl was die Spielkonzepte angeht, als auch in deinem Gitarrenton, der viel voller und räumlicher wird.

Die zweite CD war sicherlich konzeptionell etwas völlig anderes, auch durch die Wahl der Musiker. Die erste CD war ja sehr mainstreamig, traditionell. Das war das, womit ich mich die Jahre zuvor hauptsächlich beschäftigt hatte. Ich dachte dann, es wäre an der Zeit, etwas Neues zu machen und habe mir auch bewusst die Musiker dafür ausgesucht. Mit Adam Nussbaum am Schlagzeug und Chris Potter am Saxophon gehst du natürlich automatisch in eine andere musikalische Richtung. Ich habe die Stücke für die CD speziell für diese Besetzung geschrieben, John Goldsby hat dann auch noch eins beigesteuert.

Das hat tatsächlich meinen Horizont erheblich für modernere Klänge geöffnet, auch für modernere Herangehensweisen. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung zu der Zeit, ich habe viel gelernt und mein musikalisches Ausdruckspektrum ist wesentlich breiter geworden. Außerdem war es natürlich eine tolle Erfahrung mit solch großartigen Musikern auf der Bühne und im Studio zusammenzuarbeiten. Mit Nussbaum habe ich dann auch noch zwei Tourneen gespielt.

Potter und Nussbaum sind ja sehr bekannte Musiker. Wie bist du an die herangekommen?

Bei Nussbaum war es wieder das Gleiche wie bei Hamilton. Es ist so, dass die WDR Bigband über Jahre keinen festen Drummer hatte und deshalb immer irgendwelche Stars eingeladen hat: Nussbaum war dabei, Hamilton, Peter Erskine, John Riley und solche Leute; ich habe dann im Laufe der Jahre mit all denen auch gespielt. Das war eine gute Zeit in Köln, solche Typen vor Ort zu haben und mit ihnen spielen zu können ist phantastisch.

Nussbaum habe ich einfach gefragt, ob er mitspielen würde auf meiner CD und das war auch völlig unproblematisch, er hat direkt zugesagt. Ein bisschen schwieriger war es mit Chris Potter, nicht weil er nicht wollte, sondern weil er wahnsinnig beschäftigt ist. Das terminlich zusammenzukriegen war ein echtes Problem.

Er hatte vor unserer Produktion auf einem Festival in Israel gespielt und direkt nach unseren Aufnahmen hatte er wieder was in New York. Da waren also genau zwei Tage dazwischen, die er dann hier war, in denen wir die CD aufgenommen haben. Wir haben ein Konzert gespielt in Düsseldorf in der Schmiede, das vom WDR aufgenommen worden ist, da haben wir das erste Mal zusammen gespielt. Wir haben uns erst nachmittags getroffen, ich habe ihm die Sachen hingelegt und wir haben die Themen einmal angespielt, das war´s dann bis zum Konzert. Am nächsten Tag waren wir im Studio und haben die Aufnahme gemacht – und dann war er wieder weg.

Volles Programm.

(Lacht) Aber der Typ ist ein so fantastischer Musiker, da ist das gar kein Problem.

Es gibt auf der CD ein schönes Duo, „Three“, in dem man hört, dass Ihr sofort harmoniert.

Das hat ganz gut funktioniert, ja.

In dem Stück „Taxi of the Desert“ spielst du schöne Quartvoicings – auch ein Versuch, modern zu klingen?

An den Quartakkorden ist ja nichts so wahnsinnig modern, die sind ja schon seit den Sechzigern sehr populär, Coltrane/McCoy Tyner haben das schon gemacht, das ist nicht unbedingt ein Kriterium für Modernität. Es ist halt ein Klang, ein bestimmter Sound.

Reden wir mal weiter über Sound. Du hast eine ganz besondere Gitarre ...

Ja, das ist eine Benedetto Manhattan, das war ein Geschenk der Stiftung, Kunst und Kultur der Landes NRW, heute heißt sie Kunststiftung NRW.

Wie kommt man zu so einem Geschenk?

Wie kommt man dazu? Also, ich wollte eine neue Gitarre haben, die alte war zwar auch sehr gut, aber es haben ein paar Nuancen gefehlt, die ich mir gewünscht hätte. Und dann habe ich mir gedacht, warum es nicht gleich richtig probieren und mal verschiedene Kulturstiftungen anschreiben, ob sie das teilfinanzieren oder sich irgendwie beteiligen wollen. Im klassischen Bereich ist das ja durchaus üblich wenn Instrumente hochwertiger sind.

Und so eine Benedetto kostet ja über $ 20.000, das war noch eine, die er selbst gebaut hatte, nicht aus dem Customshop von Guild. Ich habe also diverse Stiftungen angeschrieben und Kunst und Kultur hat sich sofort gemeldet, nach zwei Wochen riefen die an und fragten, ob ich das Geld in Form einer Schenkung oder eines zinslosen Kredits haben wollte.

Wofür hast du dich entschieden?

(Lacht) Kannst du raten! Also, das war sehr unkompliziert.

Und ist die Gitarre das viele Geld wert?

Ja, auf jeden Fall, das ist ein tolles Instrument, das super klingt und sehr edle Hölzer hat und auch toll verarbeitet ist. Es zwingt einen ein bisschen, in eine bestimmte Richtung zu spielen, also, es ist nicht sehr variabel, halt der klassische akustische Archtop-Sound, den du verstärken kannst bis zu einem gewissen Punkt und dann ist Schluss, weil es dann anfängt zu koppeln. Für bestimmte Sachen ist die Benedetto ideal, für andere ist sie nicht so toll.

Sie klingt nicht mit allen Amps gut, man sollte ein bisschen wählerisch sein mit den Kabeln, man muss sich also wirklich einen Kopf machen, wenn man das Optimale rausholen will. Es ist kein Instrument, das du einfach mitnimmst, wenn du irgendwo einsteigst, oder wenn du auf einem Festival spielst, wo irgendein Verstärker steht.

Dafür nimmst du dann ein anderes Instument?

Genau, dafür habe ich diverse andere Sachen. Wofür die Benedetto ideal ist: Ich habe zum Beispiel jetzt im März eine Produktion mit der WDR Bigband gespielt, mit Patti Austin, ein Gershwin Programm– es gab ein Konzert in der Philharmonie und vorher eine Aufnahme – da ist die Gitarre wunderbar, wenn du so Freddy Green-mäßig Rhythmus spielst oder fast akustisch Akkorde unterlegst, da hat sie wirklich ihre Stärken.

Hast du da rein akustisch gespielt?

Ich hatte ein Mikro vor der Gitarre, aber auch noch eins vor dem Amp, der war nur minimal aufgedreht und dann geht das wunderbar.

Welchen Verstärker benutzt du für so etwas?

Für die Benedetto nehme ich vorwiegend mein AER Equipment. Ich habe auch mal eine Zeit lang einen Boogie Mark 3 gespielt, das hat auch funktioniert. Jetzt habe ich einen Fender Vibrolux Reverb, der mir noch besser gefällt, wenn ich elektrischer klingen will. Damit habe ich sie aber noch nicht probiert.

Im Moment benutze ich sie auch nicht so viel, ich spiele meist andere Gitarren. Gerade wenn du ein bisschen flexibler sein willst, dich in moderneren Kontexten bewegst, stößt du mit einer akustischen Archtop-Gitarre leicht an Grenzen. Es geht um Attack und Sustain, oder Legato-Spielen. Das ist keine Frage der Finger, der Ton ist einfach sehr perkussiv und von Natur aus auch nicht wahnsinnig lang. Wenn du das vergleichst mit einer 335 zum Beispiel, die hat, durch den Sustain-Block und wie das Instrument aufgebaut ist, kaum Attack, aber endloses Sustain, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Ich habe natürlich versucht zu tricksen, mit Hallgeräten und verschiedenen Sachen, das geht auch bis zu einem gewissen Punkt, aber die Gitarre macht es einem nicht leicht, und man bewegt sich nicht organisch in diesen Zusammenhängen. Wenn du traditionellen Mainstream spielst, ist sie super, aber sobald du was anderes spielst, wird es schwierig.

Welche Saiten nimmst du für die Gitarre?

Auf der Benedetto benutze ich die Thomastik Bebop Saiten, Standard 14er Satz.

Ist dein Setup für Aufnahmen das gleiche wie live?

Man muss jetzt sagen – wir haben gerade nur von einer Gitarre gesprochen – ich habe viele Gitarren: akustische, Steelstring-, Nylonstring-Gitarren, welche die man verstärken kann, andere, die nur akustisch gespielt werden, nur fürs Studio. Ich habe eine 335-Kopie von Epiphone, eine Sheraton 2, die ich auch gerne benutze. Im Moment spiele ich, wenn es irgendwie elektrisch sein soll, fast ausschließlich eine GB 10 von 1982, eine kleine Ibanez George Benson, die super flexibel ist, mit der du wirklich alles spielen kannst im Jazzbereich. Ich habe sie übrigens über eine Anzeige bei Archtop - Germany gefunden. Sie vereinigt für mich ein bisschen die Qualitäten einer Archtop und einer 335.

Das ist also im Moment deine Arbeitsgitarre?

Das ist meine Arbeitsgitarre, die du einfach mitnimmst und in den Verstärker steckst – egal in welchen – und es klingt. Das Ding funktioniert einfach.

Wogegen die Benedetto eher eine Diva ist?

Genau. Und außerdem kannst du mit einer Gitarre, die so wertvoll ist, nicht überall spielen. Du spielst halt nicht immer nur in Konzertsälen, sondern auch mal in einer Kneipe, für kleines Geld oder weil es dir Spaß macht. Und dann hast du Angst, dass die Leute in die Gitarre reinfallen, sie umwerfen oder ein Tontechniker mit einem Mikrophon dagegen donnert, also, du hast dann keinen entspannten Abend. Die Ibanez ist da wunderbar, du willst zwar auch nicht, dass da was drankommt, aber du kriegst nicht bei jedem kleinen Kratzer einen Herzinfarkt...

Als Setup für diese und die anderen elektrischen Gitarren benutze ich meinen Fender Custom Vibrolux Reverb, den mir übrigens Peter Bernstein empfohlen hat. Er setzt sich gut durch und man verrenkt sich beim Transport nicht den Rücken. War ein guter Tipp. Ich wollte mir eigentlich noch einen kleineren kaufen, aber der wäre ein bisschen zu schwach gewesen. Für die akustischen Gitarren habe ich den AER Bingo und Erweiterungsboxen.

Also ein modulares Setup.

Genau. Für AER bin ich auch Endorser, da stehe ich auch dahinter, die Sachen sind richtig gut, nicht für den elektrischen Sound, aber für alles Akustische. 

Du hast über das Goethe Institut und das Auswärtige Amt viel in Afrika und im nahen Osten gespielt?

Viel wäre jetzt übertrieben, ich habe zwei, drei Tourneen gespielt, über das Auswärtige Amt und das Goethe Institut. Wir haben im Sudan gespielt, in Ägypten und in der Türkei.

Ich kann mir vorstellen, dass im Sudan die Bedingungen etwas andere sind als hier in Deutschland?

Ja, logisch. Das fing damit an, dass wir lange darauf gewartet haben, bis der Bass aus dem Zoll kam. Wir haben natürlich die Instrumente, bis auf die Gitarre, vorgeschickt. Obwohl wir den Kontrabass und auch das Schlagzeug mit Cargo vorgeschickt hatten, kam das nicht rechtzeitig zum ersten Konzert aus dem Zoll, es steckte da also fest und die Botschaft musste endlos mit dem Zoll verhandeln, um die Sachen da herauszukriegen.

Beim zweiten Konzert hatten wir dann den Kontrabass, der war aber in zwei Teile zerspungen, so dass wir den auch nicht benutzen konnten. Wir haben uns dann einen in Khartum geliehen. Die haben da auch eine Musikakademie, das ist natürlich nicht vergleichbar mit einer Hochschule hier, alles ein bisschen improvisiert.

Es war super spannend. Khartum ist mitten in der Wüste und wir haben dann auch Trips in die Wüste gemacht und uns Pyramiden angeschaut.

Also habt ihr auch ein bisschen in Tourismus gemacht?

Ja, und das ist schon ein Privileg, denn im Sudan gibt es eigentlich keine Touristen. Wenn, dann hast du irgendwelche Archäologen, die ein Heidengeld dafür bezahlen müssen (pro Tag!) sich ein bisschen durch die Gegend bewegen zu dürfen.

Wie regierte das Publikum dort auf eure Musik?

Das Publikum war angetan, die sind da sehr offen, die Menschen denen wir da begegnet sind waren ohnehin alle ausgesprochen warmherzig und freundlich. Ich hatte das Gefühl, denen hat es großen Spaß gemacht.

Die Informationen auf deiner Website enden 2004. Was ist seitdem passiert?

Ja, ich bin dabei, mich um eine neue Website zu kümmern. Ich habe inzwischen noch eine CD gemacht mit einem Streichquartett, „Nocturnes“, die ist seit zwei Jahren draußen.

Das habt ihr auch aufgeführt?

Wir haben ein paar Konzerte gespielt. Damit kann man allerdings nicht so wahnsinnig viel spielen, weil erstens die klassischen Veranstalter – ich hatte mir erhofft da ein bisschen reinzurutschen – doch wesentlich konservativer sind als ich gedacht hatte, und für andere Veranstalter die Streicher oft einfach zu teuer sind. In einem normalen Club kannst du das vergessen, das geht nur für Festivals oder Konzertsäle.

Im Club wäre wohl auch die Akustik zu schlecht?

Ja, wir haben ein paar Mal gespielt, so vier, fünf Konzerte, das war’s leider. Das liegt so ein bisschen auf Eis. Ich arbeite gerade an einer neuen CD, die ich Mitte Dezember aufnehmen werde. Das ist eine Hommage an Blue Note, vorwiegend Stücke, die in den 60ern von Blue Note Künstlern geschrieben wurden. Die CD wird zur Hälfte im Trio, mit John Goldsby und Hans Dekker, und zur anderen Hälfte im Sextett eingespielt werden. Dafür kommen noch drei Bläser, John Marshall, Trompete, Carolina Strassmeier, Altsaxophon und Ludwig Nuss, Posaune, dazu.

Also eine klassische Hardbop Bläserfront ...

Genau. Wir haben jetzt auch ein Konzert gespielt im Kulturzentrum „Altes Pfandhaus“, in Köln, das ist super gut angekommen. Die CD kommt wohl so im mittleren bis späten Frühjahr 2007 raus.

Spielst du viel mit eigenen Projekten?

Alles mögliche, eigene Sachen, dann werde ich angerufen für Projekte oder ich bin Sideman in bestehenden Formationen. Dann kommt noch ein bisschen Studioarbeit hinzu. Es läuft gut im Moment.

Welche Pläne hast du sonst für die Zukunft?

So viele gute Gigs spielen wie möglich, was zurzeit ja auch prima funktioniert. So viel wie dieses Jahr habe ich schon lange nicht mehr gespielt. Ich habe ja auch mal sechs Jahre an einer Hochschule unterrichtet, in Leipzig, aber das ist seit einem Jahr vorbei. Im Moment spiele ich also ausschließlich und das geht sehr gut. Das Jahr hat damit angefangen, dass ich mit der WDR Bigband in New York war für zwei Konzerte, dann habe ich auf einem Festival in Österreich gespielt und in Luxemburg. Also ab und zu komme ich immer mal raus. Sonst spiele ich in ganz Deutschland verteilt, natürlich auch viel regional. Es kommt alles Mögliche zusammen. Wenn sich das weiter so entwickelt, ist alles wunderbar.

 

Interview mit Joachim Schoenecker vom 10.10.2006 © 2006 Stephan Neetenbeek

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