Michael Sagmeister

Michael Sagmeister
Sagmeister & Martino

Michael Sagmeister muss man sicherlich nicht vorstellen, seine internationalen Bekanntheit ist das Ergebnis seines hervorragenden Spiels. Egal ob im Trio, Solo oder irgendeiner anderen Besetzung, man hört einen Gitarristen auf allerhöchstem Niveau.

Im Jahr 2000 wurde er von dem “Giant” Pat Martino eingeladen, mit ihm eine Platte aufzunehmen, was für sehr viel Aufsehen in der Szene sorgte und die musikalische Reputation Michaels jenseits aller Diskussionen stellt.

Um musikalisch dahin zu kommen, wo Michael jetzt ist, reicht Talent bei weitem nicht aus: Kontinuierliches Üben, 4-5 Stunden pro Tag und über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren ist angesagt und das macht er auch heute noch...

Michael, welches Equipment setzt du derzeitig ein?

Wenn ich Konzerte gebe, benutze ich hauptsächlich Yamaha Nylon und Steelstring Akustik-Gitarren. Und zwar habe ich als Nylonsaitengitarre eine SPX 300 mit eingebautem Mikrofon und piezokeramischen Tonabnehmer. Das ist eine wunderbare Gitarre für den Live-Einsatz. Fürs Studio habe ich zwei ganz feine Sachen: Ebenfalls Yamaha, aber aus der handcrafted Factory in Tokio. Eine GC 70 und eine GC 50. Die sind zwar sündhaft teuer aber wunderbare Instrumente.

Wenn ich elektrische spiele, dann spiele ich eine Yamaha AES 920; das ist eine „Les Paul“- ähnliche Gitarre. Von dieser Gitarre wird es eventuell in 4-5 Monaten ein Sagmeister-Signature-Modell geben. Yamaha möchte mich verstärkt zum elektrischen Sektor zurückholen, weil ich in den letzten Jahren meine Priorität dort eher im akustischen Sektor hatte. Ich habe ja auch noch eine andere Sagmeister-.Signature, die Tausch. Das ist auch ein wunderbares Instrument.

Mein größtes Schätzchen, meine Fat Lady, ist eine L5 Wes Montgomery Custom. Die benutze ich meistens bei den Jazzproduktionen, ohne Effekte. Sie hat einen schönen fetten Ton. Wenn wir uns mal treffen, spiele ich dir ein paar neue Aufnahmen von der Tausch und der L5 vor. Ich würde mich wundern, wenn du sie auseinanderhalten kannst.

Ich hatte da schon Probleme bei deiner letzten CD, „When the Moment sings“. Ich hatte nämlich einen schönen fetten „Archtop-Sound“ gehört und habe dann später erst das Bild mit der Tausch gesehen. Ich war verblüfft.

Oh, da hast du gar nicht so falsch gelegen, es ist nämlich die L5. Die Tausch war bei dieser Produktion nur bei 2 Stücken dabei. Aber du kannst es wirklich kaum auseinander halten. Die Gitarre hat eine kurze Mensur und nur 20 Bünde. Damit kann der Tonabnehmer ein Stück weiter nach vorne und dort hast du dann diesen „Archtop“-Sound. Das ist ein einfaches Phänomen. Es ist ja eigentlich traurig, dass viele Spieler so traditionsgebunden Gitarren kaufen. Für eine neue gute L5 musst du rund 10.000 Euro hinlegen, ältere gibt’s für 6-7-tausend oder so... 

Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit, ein wenig besser an die Gitarre zu kommen. Es ist ja auch so, das nach Deutschland nicht unbedingt die besseren Gitarren gehen, zwar keine Fehlerhafte Ware, aber die besser klingenden bleiben in den Staaten... da muss man schwer aufpassen. Ich hatte wirklich Glück ich konnte eine unter 4 auswählen. Das ist jetzt 7 oder 8 Jahre her. Es ist wirklich ein Trauminstrument.

An Verstärkern benutze ich seit rund 25 Jahren Lab Series. Das sind die Amps, die früher von Gibson und der Norlin Company gebaut wurden. Davon habe ich mittlerweile 5 oder 6 Stück. Ich benutze hauptsächlich einen L9 oder L5. Die Effekt-Armada ist komplett von Yamaha. Da schwör ich drauf.

Für die Verstärkung der akustischen Gitarren gibt es für mich nur eines: AER. Der neue Acousticube ist das Beste, da kommt sonst nicht heran. Gerade wenn ich mit meiner Frau (Anm.: Britta Medeiros) im Duo unterwegs bin, habe ich nur eine akustische Gitarre und diesen Würfel dabei und immer einen hervorragenden Sound. Ich hatte verschiedentlich Angebote von anderen Firmen, aber die kommen alle nicht annähernd an den Klang des AER heran. Wenn ich im Studio einen wärmeren Jazzton haben will, benutze ich den Acousticube auch mit der L5. Interessieren dich noch die Saiten?

Klar, warum nicht.

Ich benutze Da’Dario Nylon extra hard tension und auf der SPX hard tension. Auf der L5 habe ich zur Zeit 0.11-0.50 Labella. Die halten ewig und klingen von Anfang an gut, man muss sie nicht erst ewig lange einspielen. Auf der E-Gitarre spiele ich mittlerweile Earnie Ball 0.11-0.48.

Lass uns ein bisschen über deine CDs reden. Meine Lieblingsplatte von dir ist die mit Pat Martino. Die finde ich richtig gut...

Das freut mich, aber ich selbst kann das nicht so hundert prozentig unterschreiben. Sie hatte nämlich auch einen unangenehmen Beigeschmack. Es hat zum einen sehr lange gedauert, bis ich mich entschieden hatte, das zu machen. Es gibt auch leider sehr unterschiedliche Geschichten über diese CD... Es ist nämlich nicht so, dass ich Pat gefragt habe, sondern er hat mich gefragt! Es hat mich sehr gestört, dass oft erzählt worden ist, ich hätte mir da mein Vorbild eingekauft. Das ist völlig dummes Zeug! Pat hatte bisher immer strikt abgelehnt mit einem anderen Gitarristen zu arbeiten. Er hat sich dann bei mir gemeldet, nach dem er meine CD „Soulful Questions“ gehört hatte und sagte, dass er Interesse hätte, mit mir zu arbeiten. So ist das zu Stande gekommen.

Die CD ist absolut in Ordnung, so wie sie geworden ist, man muss halt auch sehen, wie wenig Zeit wir hatten. Wir haben uns quasi im Studio getroffen, die Sachen ein-zweimal durchgespielt und dann aufgenommen. Mehr ist da nicht passiert. Es war eher eine organisierte Jamsession. Ich hatte zudem auch noch den ganzen organisatorischen Apparat am Hals. Es war eine menge Stress, das alles zu bewerkstelligen. Musikalisch war es eine sehr positive Angelegenheit, aber alles andere war sehr nervenaufreibend.

Pat und ich hätten ursprünglich gerne auch Tourneen miteinander gespielt, haben auch drei Anläufe dafür gemacht. In der Rhythmusgruppe sollte Steve Gadd Schlagzeug spielen. Aber es scheiterte jedesmal am Management... Leider.

Pat und ich sind schnell Freunde geworden, haben uns aber in den ganzen Jahren vielleicht 14 Tage insgesamt gesehen.

Wie kam es eigentlich zu deiner Zusammenarbeit mit Philip Catherine?

Da war es eigentlich ursprünglich wieder so, dass Pat und ich zusammen tournieren sollten, aber es scheiterte abermals am Management. Dann sollten John Scofield oder Pat Metheny Pat’s Part übernehmen. John hätte es gerne gemacht, er war aber leider terminlich gebunden und Metheny war mit seiner Group unterwegs. Philip hat dann glücklicherweise zusagen können, das war leicht, weil mein Manager auch der von Philip ist. Es war dann so, das er als Gast bei meinem Trio dabei war.

Philip ist wirklich ein sehr lieber Typ, aber musikalisch stehen wir uns nicht sehr nahe. Er kommt eben aus einer ganz anderen Ecke. Das Publikum hat es aber sehr positiv aufgenommen. Ich würde schon jederzeit wieder was mit ihm machen, aber es ist musikalisch für mich nicht so interessant wie beispielsweise mit Martino. Lustigerweise hat mich Philip nachher gefragt, ob ich ihm Unterricht geben würde... ;-)

Neben Conversations gefällt mir noch ausgesprochen gut „Straight Ahead“ und die Platte mit Camillo D’Ancona.

Camillo ist ein Freund von mir... mein mit Abstand bester Freund, den ich mittlerweile seit fast 30 Jahren kenne. Er ist ein ehemaliger Gitarrenschüler und hat dann eine Karriere als Schauspieler gemacht. Irgendwann kam er dann zu mir nach Hause und hat mir ein paar seiner Lieder vorgespielt. Er hat ziemlich rumgedruckst, bis ich ihn dann fragte, was er denn konkret will... Nun, er hatte halt das Angebot eine Platte zu machen und wollte wissen, ob ich ein paar Leute empfehlen kann, die das mit ihm machen würden...

In der Frage steckte natürlich auch etwas ganz anderes, das habe ich gleich gemerkt. Das Konzept habe ich dann Peter Finger vorgespielt, er ist ein sehr offener und kreativer Labelchef. Es hat ihm gut gefallen und so habe ich dann die Arrangements und die Produktion übernommen, die Besetzung zusammengestellt und die Gitarren gespielt. Camillo hat auch gerne akzeptiert, dass ich die Akkorde ein bisschen umgestellt habe... ;-)

Es freut mich auch sehr, das du die „Straight Ahead“ erwähnst, es ist nämlich eine exzellente Platte, aber ein leidiges Ding. Das Label hatte eigentlich versprochen für die CD gut zu werben, aber das wurde leider nicht eingehalten. Daher kennt fast niemand diese Platte, aber da reiche ich mich in eine lange Reihe von Gitarristen ein... „Consciousness” von Martino kennt auch kaum jemand, na gut, damit muss man eben leben.

Wie sieht die Zukunft aus bei dir, kommt noch einmal etwas „Powervolles“?

Oh ja, ich bin mitten in einer Produktion von der ich eigentlich noch gar nicht viel erzählen will...

Komm, mach uns ein bisschen Appetit...

Hmm, es ist ein großes Projekt, mit Besetzungen bis zu 11 Musikern. Es sind Eigenkompositionen ein paar Originals, alles aus der Funk- und Soul-Ecke, aber sehr eigen... Die CD kommt September/Oktober bei Acoustic Music raus und trägt den Titel „Michael Sagmeister Group“. Ich spiele übrigens fast nur die L5. Da kannst du dich schon freuen. Das muss aber jetzt reichen ;-)

Nächstes Jahr soll ich mit Jean-Luc Ponty auf Tournee gehen. Solo Konzerte möchte ich auch wieder geben, akustisch. Im Oktober ist dann Duo und Trio mit Britta angesagt. Auch das Sagmeister Trio wird im Herbst spielen.

Das hast du ja einiges zu spielen; gut so.

Ja, aber über die momentane Situation auf dem Kulturmarkt könnten wir stundenlang reden... die Situation ist wirklich bescheiden. Egal ob großer Name oder nicht, da fehlen rund 50 Prozent der früheren Kapazitäten. Die Clubs haben immer mehr Schwierigkeiten, sie bekommen immer mehr Hürden, sei es steuerlich und so weiter.

In den Medien werden Kunstformen teilweise „mafiös“ unterdrückt. Es ist ein absolutes Armutszeugnis, was kulturell in diesem Land zur Zeit so passiert. Wir haben so viele hervorragende deutsche Musiker, innovative Leute, die ohne weiteres genau so gut ausgebildet sind wie die Amerikaner. Das kann ich mit gutem Gewissen sagen, weil ich ja auch selbst seit 20 Jahren mit der Ausbildung junger Musiker beschäftigt bin. Eben ja auch an der Hochschule in Frankfurt. Bei uns gibt es keine hauptamtliche Jazzausbildung mehr. Das muss man sich mal Vorstellen, Frankfurt, die ehemalige „Jazzhauptstadt“ mit dem ältesten Jazzfestival in Deutschland. Wir müssen um jeden Zentimeter Jazz kämpfen an dieser Hochschule.

Man möchte dort nicht in Konkurrenz treten zu Institutionen wie Mannheim oder Weimar. Das muss man sich mal vorstellen, die sind doch weit genug entfernt. Die Stundeten beschweren sich ständig darüber. Wenn Christoph Spendel und ich da nicht so engagiert arbeiten würden, wäre der Jazz in Frankfurt tot.

Ich finde übrigens auch, dass man die Musiker, die hier ihre Ausbildung gemacht haben, hier ihre Steuern zahlen und die auch ein kulturelles Aushängeschild sind, besser unterstützten muss. Da sind alle anderen europäischen Nachbarländer besser organisiert. Die haben in allen Bereichen quotiert, wie viele nationale Musiker bei Produktionen dabei sein müssen. Wenn hier nur mal darüber gesprochen wird, dass ein bestimmter Anteil deutscher Musiker im Radio gespielt werden soll, dann geht eine Riesendiskussion los. Ich kann das nicht verstehen. Es kann doch nicht wahr sein, dass die vorhandenen Gelder nur für andere ausgegeben werden, die eigenen Leute gehen leer aus und können ihre Karriere nicht nach vorne bringen.

Es ist ja auch momentan nicht davon auszugehen, dass es besser wird, aber ich bin der Meinung dass das auf keinen Fall ganz kaputt gehen wird; ich mache das jetzt seit 1978 und habe soviel an rauf und runter erlebt in diesem Business. Es kann gar nicht so bleiben. So viel Hirnlosigkeit erzeugt irgendwann mal Langeweile.

Wie siehst du deine Entwicklung im Rückblick?

Für mich zählt in erster Linie musikalische Qualität und dauerhafte Entwicklung. Ich kann mich nicht beklagen, aber ich hätte wesentlich bekannter sein können, wenn ich den ein oder anderen Vertrag unterschrieben hätte, der mich mehr gebunden hätte. Nach dem Motto drei Platten im Label und ein Image verkaufen. Fusion und so... das kam für mich nie in Frage. Ich übe aber immer noch, wenn ich kann, 3-5 Stunden am Tag. Das geht gar nicht anderes, sonst kann ich meine Musik nicht mehr spielen. Ich brauche das auch.

18.03.2006
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