Christian Lassen

Christian Lassen
Christian Lassen

Einen Nonkonformisten nennt ihn Alexander Schmitz; und das stimmt auch. Thorsten Klentze klingt sowohl als Gitarrist als auch als Komponist ein wenig anders als seine Kollegen. Er hat eigene Wege auf dem Griffbrett gefunden und schreibt hochinteressante, kammermusikalische Jazzstücke, die sowohl Freiraum als auch Form besitzen.

Seine wichtigsten Einflüsse waren Charlie Mariano und Phillip Catherine. Bislang gibt es fünf CDc und eine DVD mit der kreativen Musik Thorstens, auf denen solche hervorragenden Musiker wie beispielsweise Roger Janotta, Jost H. Hecker und eben auch Charlie Mariano vertreten sind.

Wie bist du überhaupt auf Archtops gekommen?

In den 70ger Jahren habe ich ausschließlich akustische Stahlsaitengitarren gespielt, - ( `ne alte Höfner, Ovation und eine sehr schöne Gibson Heritage ). Das lag natürlich an den Gitarristen, die ich damals bevorzugt gehört habe: - Paul Simon, Davey Graham, John Renbourne, Bert Jantsch und Werner Lämmerhirt - um nur die wichtigsten zu nennen.

Gegen Ende der 70ger veränderten sich meine Hörgewohnheiten, auch wieder zuerst über die Interpreten der akustischen Gitarre: - Baden Powel und Charlie Byrd später dann Ralph Towner und Bill Conners. Das Duo Coryell / Catherine hat mich ganz besonders nachhaltig beeindruckt und mir die Musik von Django eröffnet.

In dieser Zeit kam ich das erste Mal auf Archtop Gitarren. Ich saß oft stundenlang in der alten Amptown-Röhre an der S-Bahn "Alte Wöhr" in Hamburg und hab´ Gitarren getestet. Leider konnte ich mir damals keine leisten und bin dann erst Anfang der 80ger Jahre an die Ibanez-GB gekommen, die mich dann über die folgenden 20 Jahre begleitet hat.

Wie sieht dein Equipment heute aus?

Vor ca. 3 Jahren habe ich mir den Traum erfüllt und mir eine Röder Archtop gekauft. Seitdem Spiele ich diese Gitarre ausschließlich. Sie ist unglaublich...,der Sound ist das, was ich mir immer vorgestellt habe. Ich habe sie mit Tomastik Jazz Series besaitet, den 13er Satz. Zur Verstärkung nutze ich AER. Ich würde gern mal Carlos Amps testen, aber die sind wahnsinnig teuer. Die "George Benson" von Ibanez habe ich übrigens immer noch.

Wie nimmst du deine Gitarre im Studio gerne auf?

Mit einem Mikro vor dem Verstärker und einem Mikro zur akustischen Abnahme vor der Gitarre.

Bei sehr vielen Spielern hört man ihre Wurzeln deutlich heraus. Bei dir ist das für mich anders. Verrätst du uns etwas über deine musikalischen Einflüsse und Ausbildung?

Mit ca. 6 Jahren begann meine musikalische Aktivität am Klavier bei Karl Heinz Färber in Ahrensburg, der mir eine klassische Grundausbildung gab. Ich blieb ca. 8 Jahre bei ihm und hab` viel gute Musik kennengelernt, z.B.Bach, Beethoven, Bartok. In dieser Zeit war ich auch begeisterter Sänger ((Knabensopran) im Kirchenchor der Schlosskirche.

Mit ca. 14 oder 15 Jahren wechselte ich zur Gitarre; - ich hatte Paul Simon gehört und wollte seine Lieder spielen. Ich lernte autodidaktisch und übte wie ein Besessener und schon nach kurzer Zeit hatte ich die Gelegenheit meine frisch erworbenen Fähigkeiten Live im "Dennis Pan" in Hamburg zu präsentieren. Dennis wollte mich fördern und gab mir von da an öfter die Gelegenheit öffentlich zu spielen und mir mal `nen 20er Taschengeld dazu zu verdienen. Ich traf dort Otto Waalkes, Hannes Wader, (der mich schwer beeindruckte) Werner Lämmerhirt, (der mir eine neue Picking Technik zeigte) Sammy Vomácka und Bert Jantsch. Über Bert lernte ich die Musik von Pentangle kennen und damit natürlich John Renbourne.

Die spielten auch Stücke von Mingus und das wurde die Brücke zum Jazz. Mein erstes wirklich beeindruckendes Jazzerlebnis war ein Konzert mit Zbigniew Seifert, Phillip Catherine, Charlie Mariano, und ich glaube mit John Lee und Gary Brown im Onkel Pö. Von da an war Phillip mein Hero und er gehört nach wie vor zu meinen Favoriten. Er schreibt wundervolle Melodien und ist ein Meister der Improvisation.

Ein weiterer früher Einfluß war Mick Goodrick mit seiner Platte "IN PAS(S)ING" mit John Surman. Die gehört auch nach 30 Jahren immer noch zu meinen Lieblingsplatten. Toto Blanke, John Mc Laughlin, Larry Coryell, Pat Metheny und besonders Christian Escoude haben ihre Spuren hinterlassen. Zeitgenössische sogenannte "e"-Musik hat mich trotz meines Jazzenthusiasmus immer sehr interessiert und hat starken Einfluß auf meine Musik.

In meiner Ausbildung als Gitarrist blieb ich Autodidakt. Natürlich habe ich Kollegen auf die Finger geschaut, habe die Schule von Eddy Marron studiert, traf Phillip Catherine auf einem Workshop, ließ mich von Peter Wölpl in die "sweeping" Technik einführen aber in erster Linie wollte ich für mich selbst das Instrument begreifen, verstehen, wissen warum und wie es funktioniert und habe ein System gefunden das auf 7 Positionen basiert und Akkorde, Arpeggios und Scalen kombiniert. Dieses System benutze ich und zeige es meinen Schülern.

Da hast du ja wirklich einige Einflüsse, die nicht jeder Jazzgitarrist hat und die ansonsten so oft genannten fehlen bei dir. Es ist also nur ganz natürlich, dass du anders klingst. Du hast gerade gesagt, dass dein erstes beeindruckendes Jazzkonzert u.a. mit Charlie Mariano besetzt war. Mit ihm hast du später dann ja auch konzertiert und sogar aufgenommen. Das muss doch etwas ganz besonderes für dich sein?

Charlie hat mir mit seiner Zusage ins Studio zu kommen wirklich einen großen Traum erfüllt. Er war ja in den 70ger Jahren einer der maßgeblichen Altisten auf der Scene. Er spielte mit Toto Blanke`s "Electric Circus", Eberhard Weber´s "Colours" und natürlich "Pork Pie" mit Philip und Jasper. Und auch seine Platten aus den 60ern mit Mingus und Toshiko Akiyoshi stehen bei mir im Schrank.

Ich habe ihn damals vom Bahnhof abgeholt, und es war sehr herzlich und unkompliziert mit ihm. Wir haben die "Tigrib" eigentlich an einem Aufnahmetag eingespielt; - am folgenden Tag gab `s nur noch ein paar Kleinigkeiten zu tun, so dass Charlie, der damals sehr schwer krank wurde, schon früh wieder nach Köln nach Hause konnte.

Es ist faszinierend, wie jung und dynamisch dieser Mann bis ins hohe Alter geblieben ist. Am Tag nach seinem 80sten Geburtstag begann eine 30-tägige Tour - fast ohne "dayoff" - mit unterschiedlichsten Projekten - jeden Tag eine andere Band -. Diese Kraft wünsche ich mir auch für mein Alter. Zur Zeit will er etwas kürzer treten - nicht mehr soviel spielen - ; er hat sich ein Appartement in Bangalore gemietet, wo er dem europäischen Winter entflieht.

Kommen wir zurück zu dir; deinen kompositorischen Ansatz empfinde ich als stilübergreifend erfrischend. Wie würdest du das selbst bezeichnen?

Beim Komponieren versuche ich eigentlich immer, neue Wege zu finden, melodischen und harmonischen Ideen unerwartete und überraschende Wendungen zu geben und sie doch formal so zu schließen, dass es improvisationsfähige Chorusse ergibt. Da kommt mir sicherlich sehr zu gute, dass ich so ein Harmoniefreak bin, aber ich mag auch gern rhythmische Analogien, also Krebsrhythmen oder Monk`sche Verschiebungen. Trotzdem bin ich sicherlich kein großer Erneuerer der Musik; - meine Musik empfinde ich als äußerst traditionsbezogen; - Tradition und der Wille zum Verändern aus meinen Wurzeln.

Welche Spuren haben die acht Jahre klassische Klavierausbildung in deinem Spiel oder deiner Kompositionspraxis hinterlassen?

Ich will das mal so beantworten: Je früher einem gute Musik nahe gebracht wird, desto früher beginnt der Hunger nach mehr. Ich hatte einen sehr guten Klavierlehrer, über den ich sehr viel Musikliteratur kennengelernt habe, aber freies Spiel oder Improvisation war nicht seins und ich hatte immer das Problem die zwei Notensysteme gleichzeitig zu lesen. Ich spiele heute überhaupt nicht mehr Klavier, aber der Einfluß aus dieser Zeit ist nicht zu leugnen.

Thorsten, du hast in den letzten Jahren eine ganze Reihe CDs, zuletzt gekrönt durch den Konzertmitschnitt "Präludium" auf DVD herausgebracht. Dieses Medium ist bei deutschen Jazzern noch nicht so oft gesehen worden. Was hat dich dazu bewogen, die DVD als Ton- und Bildträger für dieses Projekt auszuwählen?

Es gibt eine kleine Vorgeschichte zu dieser Produktion: - und zwar habe ich vor ca. 10 Jahren im Rahmen des Jazzworkshops in Trier den Gitarristen Gerold Heitbaum getroffen und es kam in den folgenden Jahren zu einer intensiven Zusammenarbeit. Gerold hat in Werne bei Dortmund ein sehr gut ausgestattetes Multimediastudio. Als wir mit Charlie den Gig im Jazzclub Werne bekamen machte mir Gerold ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte und er hat in dieser Produktion alle nur denkbaren ton- und bildtechnischen Register gezogen. Das Ergebnis ist wirklich super. Ich war total erstaunt den Unterschied von Dolbysurround zu Stereo zu erleben. Wenn man von DTS zurückschaltet auf Stereo, kommt es einem vor, als würde man Musik aus einen Ghettoblaster hören.

Das Medium DVD entspricht genau unserem fast ausschließlich visuell ausgerichteten Zeitgeist. In Kombination mit Jazz ist sie aber leider so wenig populär wie die anderen Tonträger unserer Musik. Zitat eines Jugendlichen: " Was soll ich mir das angucken ? Die tanzen ja nicht mal, die sitzen doch nur da rum und spielen vor sich hin, - das hat doch keine Action ! " Wir Jazzmusiker haben so gut wie keine Hörer unter den Jugendlichen. Unsere Fans sind alle über 40 Jahre alt - und das ist sehr schade! Wenn man bedenkt, daß der Mensch seinen musikalischen Geschmack zwischen dem 14. und 20. Lebensjahr entwickelt und den Rest seines Lebens immer wieder auf diesen Sound zurückgreift, dann ist der Schaden, den "Headbangmusic" wie Techno und Rapp anrichten, unermesslich.

Selbst die Generation einer Zeit des kulturellen Aufbruchs wie die 60ger und frühen 70ger Jahre, in der die Menschen noch neugierig waren auf neue musikalische Impulse, bleibt in der Mehrheit bei ihren Hörgewohnheiten. Mich wundert, daß sehr viele Menschen, die sich sowohl beruflich als auch privat mit sehr anspruchsvollen Inhalten beschäftigen, in ihren Hörgewohnheiten auf dem Stand 16jähriger stehen bleiben. Der Musikgeschmack von Ärzten und Hochschulprofessoren, also sehr gebildeten Berufsgruppen ist nach wie vor Mozart.

Jasper van´t Hof hat das mal so beschrieben: - Bei offiziellen Anlässen, Empfängen oder Eröffnungen wird nach wie vor Musik des 17. Jahrhunderts gespielt.

Wenn im Rahmen dieser Veranstaltung ein geladenes Staatsoberhaupt ans Rednerpult geht, und sagt: "Meine Damen und Herren, wir müssen uns rüsten, Napoleon steht vor unseren Grenzen !" - dann wird er für verrückt erklärt. Warum wird den Menschen nicht die Musik ihrer Epoche präsentiert?

Was meinst du, was die Jazzmusiker in dieser Gesellschaft mit ihrer Musik sollen und was sie damit bewirken können?

Die Philosophie unserer Musik ist der Wille zur Veränderung. Improvisieren wird im Volksmund als "Vorsichhinwursteln" verstanden, für uns bedeutet sie spontane Komposition, also den Versuch die Ästhetik des Momentes einzufangen und kollektiv weiterzuentwicken. Das ist die Botschaft des Jazz:

Die meisten Menschen fürchten Veränderungen; - wenn sie Veränderung aber initiativ zu ihren Inhalten machen und offen für ihr Umfeld bleiben werden sie eine sehr persönliche Weiterentwicklung und großes Glück erfahren. Das ist die Botschaft !!!!

Kunst hat immer auch mit Utopien zu tun, also mit einem Gegenentwurf zu den bestehenden Verhältnissen. Eine Gesellschaft braucht Utopien und Visionen für ihre geistige Lebendigkeit. Kunst lebt aber von Zeitgenossenschaft, und die ist in unserer Gesellschaft kaum mehr vorhanden.

Die meisten Menschen können heute ein großes Kunstwerk nicht mehr von einer einfachen Grafik unterscheiden. Jedes noch so dumme Machwerk des Pop oder der Literatur von Mickey Mouse bis Blödzeitung wird mit großem finanziellen Aufwand mit dem Glanz des Perfektionismus überzuckert und fängt so seine Konsumenten. Große Meisterwerke der Literatur oder der Musik verstauben schon kurz nach ihrer Veröffentlichung in den Regalen, weil niemand davon erfährt.

Schuld daran, ist eine völlig kunstdesinteressierte kulturlose Musikindustrie, die schon seit über 25 Jahre Generationen von Musikkonsumenten mit Seichtigkeit und Inhaltslosigkeit einlullt. Üblerweise befinden sich die großen Medien in den gleichen Händen. Ganz besonders schlimm wurde es, als die Kohl Regierung die Freigabe der privaten Sender nicht an Kultur- und Bildungsaufträge gebunden hat und Pluralismus zur höchsten Pflicht (mir wäre lieber: zum höchsten Gut) der Sender zu machen. Damit haben sie der Volksverdummung, Ablenkung, Zerstreuung alle Türen geöffnet und der Kunst und den Kulturschaffenden einen gewaltigen Tritt in den Arsch versetzt.

Da hast du sicherlich recht, letztlich geht es nur noch wenigen Repräsentanten des Musikbusiness um kulturelle Inhalte. Wie sieht es bei dir aus; welche Pläne hat du für die Zukunft?

Durchhalten, weitermachen, möglichst kompromisslos an den Dingen weiterarbeiten, die mir wichtig und wertvoll sind; - und immer positiv denken!

Ich bin sehr froh, daß ich meine Musikschule habe, die mich und meine Familie ernährt und die mir ermöglicht, zumindest jedes zweite Jahr meine aktuellen Kompositionen auf CD zu präsentieren. Die Produktion spare ich mir immer erst zusammen, zahle dann das Studio, den Techniker, die Musiker und so weiter und da die Labels heute kein Risiko mehr eingehen wollen, kriegen sie die Produktion geschenkt, gegen ein paar hundert Freiexemplare. Super, wa ?

Sobald ich das Geld für die nächste Produktion zusammen habe, geht´s weiter. Die Stücke für die Platte sind fertig arrangiert und warten schon.

Ansonsten bin ich am Schreiben meiner Notengesamtausgabe, die in diesem Herbst bei ENJA erscheint.

01.08.2005

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