Frank Haunschild
Die neue Harmonielehre
Haunschild - Alone Together
Haunschild & Abercrombie

Frank Haunschild zählt ganz sicher auch international zu den besten Archtop-Spielern. Die Mitmusiker seiner Konzerte lesen sich wie ein “who is who” des Jazz, unter seinen CD-Einpielungen sind die Duo-CDs mit John Stowell und John Abercrombie herausragende Werke.

Neben seinen vielfältigen musikalischen Aktivitäten konnte er sich als Lehrer für Jazzgitarre, Autor von Musik-Fachbüchern, Komponist, Gitarren-Tester und -Entwickler, Workshop-Dozent und Kolumnist in Fachzeitschriften einen Namen machen.

Aktuell hat er eine Solo-CD eingespielt, für die er noch ein Label sucht.

Während eines Besuchs im verschneiten Schwarzwald nahm er sich die Zeit für dieses Interview.

Hallo Frank, erzähl uns doch bitte ein wenig über deine Archtop-Gitarren.

Mein Hauptinstrument ist eine Ibanez GB5, mit der ich so gut wie alles spielen kann, deshalb ist sie auch auf vielen Aufnahmen von mir zu hören. Daneben habe ich eine Ibanez JS 100, die unter anderem auch von John Abercrombie auf „Alone Together” gespielt wurde, eine Gibson Pat Martino, die noch auf ihren Einsatz in einer größeren Besetzung wartet und eine Doderer Bariton Elektrik. Die Gitarren kann man auf meiner Homepage auch alle sehen.

Was ist das besondere an der Doderer Bariton, in welchem Zusammenhang benutzt du sie? Hauptsächlich in der Begleitung?

Diese Gitarre hat zunächst einmal eine längere, 72er Mensur. Ich stimme die Gitarre eine große Terz tiefer als normal, also auf C statt auf E. Das erschließt eine etwas andere Welt. Die Gitarre ist nicht ganz so leicht zu spielen, weil viele Akkorde, die auf einer normalen Gitarre im tiefen Bereich noch schön klingen, auf dieser Gitarre schon „matschen“, also muss man sein Spiel umstellen, und andere Voicings nehmen. Wenn ich beispielsweise einen Basston auf der tiefen E-Saite habe, darf ich nichts auf der A-Saite spielen, am besten auch auf der D-Saite nichts, dann klingt das richtig schön. Man kann also nicht alles, was man auf einer normalen Gitarre spielt, einfach 1:1 übertragen, das funktioniert nicht immer. Diese Gitarre spiele ich gerne wenn ich begleite, oder auch Solo spiele.

An Verstärkern spiele ich zwei AER Acousticube 3 oder neuerdings auch zwei Schertler Unico als Alternative zu den AERs.

Wie würdest du den Unterschied zwischen diesen Amps charakterisieren?

Ich finde beide Amps sehr interessant. Der Unterschied ist marginal, was die Qualität des Klanges angeht. Es gibt aber fundamentale Unterschiede in den Details. Der AER hat auf jeden Fall seine Stärken, was den „Schönklang“ angeht, er klingt HiFi-mäßig, wie von einer CD gehört. Das macht er ganz klasse und unübertroffen. Dann hat er auch einen sehr schönen qualitativ hochwertigen Digitalhall, den der Schertler nicht hat. Er hat halt einen Federhall, allerdings den besten, den ich je gehört habe. Deshalb benutze ich den Unico nur, wenn ich auch einen schönen Digitalhall dabei habe. Ansonsten fehlt mir die Dichte des digitalen Hallraumes etwas. Die Vorteile des Schertler liegen in der Basswiedergabe, das Ganze klingt sehr viel dicker und fetter und hat auch mehr Wumm... Interessanterweise hat der Unico auch Vorteile bei der Wiedergabe von Nylonsaiten, wohingegen der AER diese ganz klar bei Stahlsaiten hat. Bei E-Gitarren finde ich sie etwa gleich gut. Bei meinen Baritongitarren nehme ich lieber den Unico, weil er eben das bessere Basswiedergabe-Verhalten hat. Bei hohen Lautstärken würde ich auch eher den Unico nehmen, bei kleineren
Räumen eher den AER. Insgesamt bin ich mit beiden Amps sehr zufrieden.

Welche Saiten spielst du am liebsten auf deinen Archtops?

Meine bevorzugten Saiten sind Pyramid. Ich war an der Entwicklung beteiligt, daher liegen sie mir natürlich besonders.

In welcher Form warst du da beteiligt, waren das Anregungen aus deinem Erfahrungsschatz? Bei AER hast du dich doch auch einbringen können, so viel ich weiß?

Da muss ich jetzt ein bisschen weiter ausholen: Man hat ja immer das Problem als Musiker, dass man gute Instrumente und gutes Equipment braucht. Der Handel gibt ja auch einiges her. Man gibt viel Geld aus und probiert viel aus, sammelt so seine Erfahrungen. Aber bis man auf die Produkte stößt, die wirklich zufrieden stellen, kann das sehr lange dauern und viel Geld kosten. Deswegen bin ich relativ schnell dazu übergegangen, Kontakt zu den Herstellern selbst aufzunehmen. Anfangs waren es eher Fragen, die ich hatte, ich habe aber gemerkt, dass die Hersteller schnell hellhörig wurden. Sie sind ja auch interessiert an Feedback von Musikern, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Daraus wurde dann auch häufig eine Art von Zusammenarbeit.

Ich bin eigentlich immer auf der Suche nach dem Supersound, guter Bespielbarkeit und guter praktischer Umsetzung, alles soll möglichst nicht so groß und schwer sein; auch nicht zu teuer usw. Einige meiner Fragen oder Anregungen wurde dann auch von verschiedenen Herstellern umgesetzt. Bei AER waren das ein paar Bedienungssachen, vor allem den Acousticube betreffend. Ich habe alle diese Modelle gespielt und bei jeder Modellentwicklung sind auch Anregungen von mir mit eingeflossen. Andererseits haben sie natürlich sehr viele Musiker, die mit Anregungen kommen. Es ist durchaus möglich, dass eben auch mehrere Musiker mit den gleichen Anregungen kamen, das will ich mir gar nicht selbst auf die Fahne schreiben.

Ich bin ja nun auch Tester für „Gitarre & Bass“. Wenn man mal anhand von älteren Ausgaben so sieht, was an einem Produkt bemängelt wurde, war das in der nächsten Modellgeneration meistens behoben. Dazu sind Tester ja auch unter anderem da. Nicht nur als Informant für die Verbraucher sondern eben auch als Anreger für die Hersteller.

Mit der Firma Pyramid ist das dann so weit gegangen, dass ich eine ganze Serie von Saiten entwickelt habe. Das hat zwei Jahre gedauert. Man hat mir immer wieder Probesätze zugeschickt, ich habe sie mit Anregungen wieder zurückgeschickt. Das sind die Pyramid Jazz Saiten, die es in der Stärke .010, .011 und .012 gibt. Es ging von Materialzusammensetzung bis hin zu Saitenstärken und Schliff. Und war ziemlich viel Arbeit, aber es ist ein Saitensatz dabei herausgekommen, den ich sehr klasse finde und der auch noch der preisgünstigste auf dem deutschen Markt ist. Ich benutze auf allen E-Gitarren den 11er Satz.

Ich würde natürlich gerne auch auf den „Lehrer“ Frank Haunschild zu sprechen kommen. Letztlich wurdest du in einem Interview als der „Jazz-Gitarrenlehrer der Nation“ bezeichnet. Das fand ich eigentlich gar nicht so falsch.

Ich meine, das ist nicht so ganz zutreffend, es hat natürlich auch vor mir schon Leute gegeben, die das gemacht haben. Mein Lehrer an der Hochschule in Köln war z.B. Axel Jungbluth. Er war eigentlich der Erste, der mit einer Jazz-Harmonielehre kam, nur brauchte man für seine Harmonielehre quasi schon eine Musikausbildung oder eine eigene Bedienungsanleitung. Sie setzte halt viel voraus. Auf den ersten 17 Seiten kommt man schon schwer ans Nachdenken. Ich habe dann halt ein Buch geschrieben, das schön langsam Schritt für Schritt auch zum Selbststudium geeignet ist.

Man könnte aber schon sagen, dass du derjenige bist, der das Thema populärer und leichter verständlich gemacht hat. Ich empfehle speziell den ersten Band auch immer meinen Schülern.

Ja, aber mittlerweile gibt es bestimmt schon 20 Autoren, die bei renommierten Verlagen ihre Harmonielehrebücher herausgebracht haben. Damals war ich wohl der erste, der das in leicht verständlichen Worten formuliert hat.

Du bist ja auch europaweit ein renommierter Workshop-Lehrer. Gehst du da nach einem Konzept vor, oder lässt du dich eher auf das ein, was du vorfindest?

Früher habe ich mir vor jedem Workshop viele Gedanken gemacht. Ich hatte einen ganzen Koffer voller Material und vorbereiteter Sachen dabei, habe aber häufig in den Workshops festgestellt, dass ich mit den meisten Sachen dann nichts anzufangen wusste. Die Kunst des Unterrichtens liegt ganz allgemein in der richtigen Diagnose des Problems, um dann die passende Information mit den passenden Übungen parat zu haben, damit man das sofort in die Praxis umsetzen kann.

Das bedingt natürlich einen sehr großen Erfahrungshorizont.

Ja, das lernt man nicht so einfach, indem man 2-3 Bücher liest. Man lernt es durchs Tun. Heutzutage fahre ich meistens einfach hin, schaue mir an, was da für Leute sind, welches Niveau sie haben, woran sie interessiert sind und dann ergibt sich der Rest meistens von alleine. Ich versuche den Stoff, den ich mit einem der Schüler durchgehe, für die anderen interessant aufzubereiten, weil jeder so seine Stärken hat, an denen die anderen auch lernen können; dieses stelle ich gerne heraus, was natürlich auch ein Erfolgserlebnis für denjenigen ist, mit dem ich gerade arbeite. Das ist der sogenannte Forums-Unterricht, quasi Einzelunterricht vor der Gruppe, wobei alle, die in der Gruppe sind, aktiv mitmachen dürfen. Sie dürfen zu jeder Zeit unterbrechen, Fragen stellen oder
auch mal was ausprobieren. Das funktioniert sehr gut.

Ich würde ganz gerne auf deine aktuelle Duo-CD „Alone Together“ mit John Abercrombie zu sprechen kommen. Das ist ein sehr ambitioniertes Werk. Es ist viel geschrieben worden darüber. Mich interessiert vor allem die Geschichte, wie es zu der Zusammenarbeit von euch beiden kam.

John und ich haben uns in Freiburg kennen gelernt, wo wir 1997 beide Dozenten
beim „National Guitar Summer Workshop“ waren. Wir haben einen Gitarrenkurs
zusammen gemacht, quasi also den ganzen Tag zusammen gehangen und gespielt, demonstriert, unterrichtet. Das lief sehr gut, was ja eigentlich kein Wunder ist, denn John ist einfach ein Wahnsinns-Gitarrist, er ist unglaublich gut, hat gute Ohren, viel Gefühl, Einfühlungsvermögen, Anpassungsfähigkeit und Erfahrung... Ich habe gemerkt, dass ihm das auch gefiel, was ich so mache. Wir haben uns dann über die Jahre immer mal wieder gesehen.

Manchmal bin ich zu seinen Konzerten gefahren, wir haben Backstage ein bisschen gequatscht und immer war der Wunsch im Raum, mal wieder etwas zusammen zu machen. Bei dem Pfingstseminar in Koblenz hat es sich dann ergeben, dass ich ihn als zweiten Dozenten dazu holen konnte. Dabei kam die Idee auf, ob wir nicht gemeinsam eine Platte aufnehmen wollen, und das haben wir dann einfach gemacht. Wir hatten einen Tag frei zwischen den Workshops und Johns Konzertterminen in Spanien, da haben wir dann halt aufgenommen.

Verblüffend. Wenn man sich diese CD anhört, glaubt man, dass ihr viele mehr Zeit investiert habt. Da ist ein gutes Verständnis, viel Raum. Mit diesem Hintergrund muss man die Platte einfach noch einmal hören um sie dann noch mehr genießen zu können. Dein nächstes Projekt ist nun eine Soloplatte, die du schon komplett fertig eingespielt, aber bisher noch nicht veröffentlicht hast. Du hast den Ruf eines sehr kommunikativen Gitarristen. Warum nun Solo?

Wahrscheinlich genau wegen dieses Rufs. Ich meine, man bekommt ja sehr oft ein Etikett verpasst, egal ob es passt oder nicht. Etiketten sind hilfreich für uns alle, der Markt ist unüberschaubar und riesig. Solche Etiketten sind für manchen aber auch recht ärgerlich, weil sie eben nur einen Teil des künstlerischen Schaffens und der Persönlichkeit abdecken. Mir war es einfach eine Herzensangelegenheit, irgendwann mal eine Solo-CD zu machen, ich denke jeder Gitarrist stellt sich dem irgendwann mal, weil die Gitarre eben eines der wenigen Instrumente ist, die man ganz alleine spielen und trotzdem musikalisch alles abdecken kann. Das geht den Pianisten sicher ähnlich.

Ich habe dann angefangen zu warten, bis ich genug Kompositionen zusammen habe; habe gewartet und gewartet... und die Kompositionen kamen nicht. Bis mir dann irgendwann klar wurde: „Mensch, du musst das anders machen. Du musst das jetzt einfach angehen.“ Ich habe dann im Studio angerufen und mir einen Termin ein halbes Jahr später geben lassen. Und siehe da, als ich dann ins Studio ging, hatte ich zehn Stücke beisammen. Durch den Druck, den ich mir selber gemacht hatte, war die Notwendigkeit entstanden, diese Dinge anzugehen, niederzuschreiben und zu arrangieren.

Wie läuft bei dir der kompositorische Prozess ab? Du hattest ja geschrieben, dass du alle deine Gitarren auch ins Studio mitgenommen hast. Haben dich die verschiedenen Gitarren zu einer bestimmten Komposition inspiriert oder war es so, dass du die Komposition quasi im Kopf hattest und dann die richtige Gitarre dafür genommen hast?

Beides. Es ist ja immer auch so: Eine neue Gitarre ist immer eine Quelle der Inspiration. Man sitzt mit dem neuen Instrument stundenlang da und sucht nach ganz bestimmten Sachen, die speziell dieses Instrument hergibt, und was vielleicht anderen Instrumenten fehlt. Im Zuge dieser Suche stößt man auf irgendein Voicing, einen Rhythmus oder Melodiefetzen und schon ist die Grundlage für ein Stück gegeben. Wenn man schlau ist, nimmt man das dann gleich auf oder macht sich Notizen - das hilft. Aber es gibt auch Stücke, die ich tatsächlich regelrecht komponiert habe, meistens auf der Jazzgitarre oder auf meiner Nylongitarre. Im Studio habe ich dann das passende Instrument für das Stück gesucht, wobei auch oft eine andere Gitarre zum Zuge kam.

Komponieren insgesamt ist eine sehr anstrengende Sache... und zum Teil richtig viel Arbeit. Vieles passiert zwar von selbst und macht Spaß, aber man muss ins Komponieren viel Energie hineingeben.

Ja, umso schöner ist natürlich dann der Effekt, wenn man nicht nur selber mit dem Ergebnis zufrieden ist, sondern merkt, dass auch anderen Menschen die Komposition gefällt.

Ja, das ist eine wunderbare Erfahrung, ein selbst geschriebenes Stück irgendwohin mitzunehmen, mit jemanden zu spielen und dann zu hören: „Wow, Superstück, komm lass es uns noch einmal spielen...“ das ist ein ganz besonderes Erlebnis.

Du hast ja für den „Solo Archtop Guitar“ Sampler von Archtop-Germany ein Stück zur Verfügung gestellt, dass auch bei dieser Aufnahmesession eingespielt wurde.

Ja, Bluebird habe ich mit meiner GB-5 aufgenommen, es ist ein Blues, in dem ich praktisch alle Möglichkeiten auf der Gitarre ausschöpfe: Es gibt da ein Basssolo, ein Akkordsolo, ein normales Solo und sogar Vierer mit Perkussion, wobei ich natürlich auch die Perkussion auf der Gitarre mache.

Wie geht es weiter mit deinen Plänen? Was hast du als nächstes vor?

Man weiß nie, was die Zukunft bringt, aber Pläne gibt es genug. Ich will auf jeden Fall weiter komponieren, durch die Arbeit an der Solo-CD habe ich wieder viel Spaß daran gefunden. Demnächst wird es natürlich auch Solokonzerte geben. Die werden mir aber bestimmt schnell einsam werden :-) . Daher würde ich auch sehr gerne wieder mit einer Band spielen, mit Schlagzeug, Bass und einem weiteren Instrument. Kommunikation ist für mich auch ein Schlüsselwort, zumal ich ja im Sternzeichen Zwillinge geboren bin. Auf jeden Fall steht an, mit Norbert Gottschalk, meinem festen Duo-Partner, mit dem ich schon über 10 Jahre zusammenarbeite, unsere vierte Duo-CD aufzunehmen. Es haben sich mittlerweile wieder so viele Stücke angesammelt, die wir live spielen, die aber auf Platte noch nicht erhältlich sind.

Vielleicht schreibe ich auch mein Harmonielehrebuch von Grund auf neu. Ich würde gerne vieles ergänzen, einiges kürzen und das Ganze noch verständlicher machen. Ich habe mittlerweile eben sehr viel mehr Unterrichtserfahrung. In den 19 Jahren seit Erscheinen des ersten Bandes ist eine Menge passiert. Die Veränderungen würden sich aber vermutlich in erster Linie auf den zweiten Band beziehen. Aber eigentlich hatte ich 1996 mit dem Schreiben von Büchern aufgehört und mir vorgenommen nur noch zu spielen, Konzerte zu geben und CDs aufzunehmen. Man muss sich eben auch aus dem Spektrum an Möglichkeiten das herausnehmen, was auf der einen Seite ernährt und auf der anderen Seite Spaß macht. Alles geht eben nicht.

Möchtest du gerne etwas loswerden, was dir wichtig ist?

Das Leben ist schön, weisst du? Das ist, so finde ich, immer noch das Wichtigste. Musik bereichert das Leben. Meines auf jeden Fall und ich kenne viele Menschen, denen das ähnlich geht und die sich deswegen mit Musik beschäftigen und die Musik ins Zentrum ihres Lebens stellen. Das sind für mich Brüder und Schwestern im Geiste. Die möchte ich an dieser Stelle gerne grüßen!

(26.02.2006)

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