Ro Gebhard
Ro Gebhard

Hallo Ro, erzählst Du uns, gerne in Kurzform, wie Du dazu gekommen bist, Berufsmusiker zu werden ?

Aus Liebe zur Musik.

Einen besseren Grund kann man sich nicht denken. Was hat denn diese Liebe bei Dir ausgelöst?

Keine Ahnung, ich bin der einzige Musiker in der Familie soweit ich weiß.

Wie sah Deine musikalische Ausbildung aus? Was war dabei für Dich besonders wichtig?

Ich gehöre gerade noch knapp der Generation an, die im wesentlichen durch Nachspielen von Schallplatten gelernt hat (damals gabs weder gute Lehrer noch Lehrvideos, noch diese massenhaften Zugriffsmöglichkeiten zu Sites wie Powertab, Guitarpro, Emule oder ähnlichem).

Benson, Gilmour, Santana, Mclaughlin, Pat Martino, Wes, Ford, Ray Vaughn, Clapton, B.B. King, Doug Rainey, Miles Davis, Mike Stern, Metheny, Scofield und so waren wichtige Einflüsse.

Ich hab natürlch auch einiges an Workshops mitgemacht: Stern, Abercrombie, Swallow. Die eigentlichen, offiziellen Studien kamen erst später. Ich hab mir ein Studium “Arrangement und Komposition” an der Hochschule in Köln angetan und erst während des Studiums wurde klar, dass meine Abschlussarbeit für Big-Band sein sollte. Darauf hatte ich damals wenig Bock, aber mittlererweile bin ich sehr froh darüber. Es hat mir viele gute Jobs gebracht und es fällt mir nun relativ leicht, auch für sehr große Ensembles zu schreiben.

Aber der eigentliche Bringer war wohl dann doch das Studium in Boston am Berklee-College. Ermöglicht wurde mir das Ganze nur wegen zweier Stipendien von der Schule aus. Ansonsten wärs zu teuer gewesen. Da an dieser Schule auch viel Leute studiert hatten, deren Musik ich studiert hatte (Chick Corea, Joe Zawinul, Stern, Metheny, Scofield) wurden mir dann auch viele Fragen beantwortet, die bis dahin offen waren, alle kochen auch nur mit Wasser. Es ist übrigens eine große Schule: Pro Jahrgang um die 800 Gitarristen, ein ausgezeichnetes Curriculum wie ich es an deutschen Schulen vermisse. Aber was wohl am wichtigsten war, ist die Möglichkeit der Selbsteinschätzung, man trifft Musiker aus der ganzen Welt: Europa, Asien, Südamerika... Alle recht ehrgeizig. Wenn man aus Europa kommt, wo jeder so sein eigenes Süppchen kocht und die Deutschen schon nicht mehr die guten Leute in Frankreich kennen, ist das eine unbezahlbare Erfahrung.

Ich habe damals Leute wie Antonio Sanchez oder Sebastiaan de Krom oder Rick Peckham und, und, und kennengelernt, mit denen ich heutzutage die Ehre habe zu konzertieren. Soweit ich gehört hab, wird die Schule nun kommerzieller und kommerzieller, ich weiß also nicht, ob sie immer noch empfehlenswert ist. Das muss man wohl selbst ausprobieren. Die meisten jungen deutschen Leute gehen nun auch wegen der immensen Fördergelder des DAAD für ein Jahr oder so nach NY. Eine tolle Stadt mit höchstem kulturellen Niveau in allen stilistischen Bereichen.

Wie lange warst Du in New York? Hat es Dir persönlich viel gebracht?

Ich bin relativ regelmässig in New York, habe Freunde und Kollegen dort. Einige kenne ich noch vom Studium in Boston. Der Pate von meiner kleinen Tochter wohnt in Queens.

Kommen wir vielleicht über Dein Equipment zu Deiner aktuellen Musik. Was für ein Equipment setzt Du derzeitig ein?

Ich spiele zur Zeit die GB 10 von Ibanez und die Artcore AF 105 und AF 125 von Ibanez, die ich endorse. Die chinesischen Gitarren sind von allerbester Verarbeitung, die Pickups sind sehr gut, allerdings macht sich der Preisunterschieden zwischen Japan und China wohl vor allem in der Qualität der Hölzer und damit letztlich doch im Ton bemerkbar. Die GB10 hat doch mehr Charakter. Die Artcore ist trotzdem immer noch sehr gut.

Wie verstärkst Du Deine Archtops live?

Ich spiele meist einen AER Aktiv Speaker und einen AER Compact 60 und benutze als Vorstufe einen Mesa Boogie Röhrenpreamp, von dem ich aus den Recordings Outs in die AER gehe. Die AER sind zwar ziemlich transparent, klingen aber etwas synthetisch und sind für angezerrte Sounds eher nicht geeignet. Außerdem glaube ich nicht, dass die angegebene Wattzahl korrekt ist, zumindest nicht für E-Gitarren. Ab einer Auslastung von ca 70% gehen die Dinger so in die Kompression (scheinbar um die lautsprecher zu schützen), dass man überhaupt keine Dynamik mehr machen kann. Die amps sind ok für leise Gigs, aber nichts für grössere Bühnen, wo der Drummer bei dem einen oder anderen Stück vielleicht auch mal etwas härter zur Sache geht. Deshalb habe ich mir jetzt ein Mesa Boogie Top-Teil Mark IV zugelegt. Bis jetzt bin ich vor allem überrascht über den sehr guten klang. Das Ding macht für das viele, viele Geld allerdings ne Menge Nebengräusche.

Früher hab ich viel Roland Jazz Chorus gespielt, die sind sehr Leistungsstark und wahnsinnig robust, allerdings klingeln die Speaker mit den Alukalotten in den Höhen etwas unangenehm. Deshalb bin ich davon weggekommen. Ansonsten spiele ich mit sehr cleanem sound, keine Effekte außer Hall. Ich mache viel mit den Fingern, allerdings bringe ich des öfteren über den Zeitraum eines abendfüllenden Konzertes verschiedene klangliche Facetten mit ein: Wahwah, Bottleneck, Loopstation, Distortion.

Ich finde es gut, dass Du Deine abwechslungsreichen Sounds ohne Effekte erzeugst, dass klingt dann auch nach Ro Gebhardt und nicht nach dem normalen Einheits-Effekt-Brei. Wann bist Du auf dieses Konzept gekommen?

Als ich 17 war, habe ich zum ersten mal die "American Garage" von Metheny gehört. Von da an haben; glaube ich, fast alle unserer Generation mit Choruseffekt gespielt. Dann kamen die Mitte-80iger: Stereo-Equipment, 2 Speaker, Stereo-Endstufen, mannshohe Racks mit 3 bis 4 19-Zoll- Multieffektgeräten; sogar das Stimmgerät war riesig. Und irgendwann war man die Schlepperei satt und der Spuk war vorbei. Ich weiß noch, als ich mir meine E-Gitarre mal ohne Choruseffekt angehört hatte damals: Die ganzen schönen Obertöne, das wunderbare Sustain und das glatte harmonische ausklingen eines Tones, das klang doch alles irgendwie besser und natürlichlicher für mich, als mit irgendwelchen Effekten.

Über Equipment, Soundvorstellungen zur Musik: Wie würdest Du Dich stilistisch selbst einordnen?

Ich verfüge über ein breites Repertoire, bin im Bereich Modern-Jazz ziemlich versiert, kenne mich mit Wes, Benson, Martino, Scott Henderson, Metheny und Scofield ziemlich gut aus und habe immer versucht, mein eigenes Ding zu finden. Ich liebe Latin-Sachen, auch klassische Gitarre hat mich als Jugendlicher beschäftigt. Da gibt es auch wunderbare Sachen, z.B. die Assad-Arrangements von Piazzolla. Ich stehe eigentlich eher auf natürliche Klänge, wenn auch der geschmackvolle Einsatz von elektronik eine tolle Sache sein kann. Ich stelle mir eigentlich immer die Frage: Wenn einmal der Strom ausfällt, weil die Ölscheichs den Hahn abdrehen - kann ich dann überhaupt noch Musik machen?. Wär doch blöd, wenn nicht. Oder? ;-)

Ja, dann geben wir halt wieder Konzerte im kleinen Rahmen ;-) Wie sehen Deine derzeitigen musikalischen Aktivitäten aus? Hast Du ein Lieblingsprojekt zur Zeit?

Ich habe für Herbst mehrere Projekte am laufen: Das "European Jazz Guitar Trio" (EJGT) mit Davide Petrocca am Bass (Italien), Jean-Marc Robin an den Drums (Frankreich). Tolles trio, sehr tight.Wir können eigene Sachen spielen, Standards, Stücke in 7, in 5, unglaublich schnelle Sambas und Swings gehen wie von selbst. Wir bringen die neue CD, wahrscheinlich mit Unterstützung von Brüssel, weils ein Europäisches Projekt ist. Ansonsten werden wohl die Kinderszenen von Schumann in die Zange genommen; mit dabei auch Tanz und Foto-Art, also multimedial.

Ein multimediales Projekt ist auch "Paintingmusic.com": Ein unglaublich guter Pianist aus New York: Gustavo Casenave, stark Modern-Tango orientiert, wir im Duo und die Malerin Vicky Baranguet malt dazu in Öl. Ja und dann wohl noch die "NuJazzGeneration", eine sehr junge Band mit 4 Horns und 2 Sängern, eher soul, funk, dnb-groove orientiert.

Natürlich laufen auch immer wieder mal Projekte, die früher schon mal präsentiert wurden wie z.B. "plays the music of Django Reinhardt"....wobei wir natürlich nie auf die Idee kämen, den Gypsy-Style zu kopieren. Wir spielen die Sachen modern-jazz-mässig, das ist wohl eh’ das wirklich Interessante daran. Ich würde nie was kopieren wollen, was Andere eh’ viel besser machen als ich, z.B. mein guter, alter Kollege Birelli.

Die neue CD ist ja gerade herausgekommen, als DoppelCD, einmal das European Jazz Guitar Trio aud Disk1 und auf der anderen eine Big Band -Besetzung. Wie kam es dazu, dass Du zwei solch unterschiedlichen CDs in einer Verpackung herausgebracht hast.

Zum einen wollte ich dieses Mal auch aufzeigen, dass ich nicht nur Gitarrist bin, sondern auch auch Komponist und Arrangeur. Wer meine Platte "On my mind" kennt, weiß das. Aber leider wurde die von der Plattenfirma ziemlich gedeckelt. Für Big-Band schreiben muss man lernen, das geht nicht einfach so. Da steckt sehr viel Arbeit dahinter.

Ganz abgesehen von der sehr anstrengenden Arbeit zu dirigieren und auch die Logistik abzuwickeln, sprich die Kollegen zusammen zu bekommen zum Proben, Spielen, Aufnehmen. Aber der Grundgedanke, die zwei unterschiedlichen Besetzungen auf einer Doppel-CD rauszubringen, war eh’ schon lange vorher da: Ich wollte ein Spektrum abbilden über die Arbeit von europäischen Musikern sowohl in kleiner Besetzung ( Frankreich, Deutschland, Italien), als auch in sehr großer Besetzung ( Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien, Schweiz ). Alles Leute aus meinem Umfeld und z.t. langjährige Freunde.

Europa sollte musikalisch näher zusammenrücken finde ich. Mir gefällt nicht all zu sehr, dass jedes Land so alleine für sich agiert. Es sollte mehr Übergreifendes stattfinden. Besonders in Bezug auf die Arbeit der Medien. Nur sehr wenige Leute in Frankreich kennen die guten Leute in Deutschland- und umgekehrt. Diese Kommunikationslücke gilt wohl für alle europäischen Länder, was sehr schade ist. Allerdings sollte das alles nicht nur von einem Land ausgehen und keine One-way-road werden. Die Deutschen sind da leider ziemlich gut drin. Alle Länder sollten versuchen die Interaktion herzustellen.

Da hast Du doch einen guten Beitrag geleistet, mit Deiner CD und Deinen Bands. Ich wünsche auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg und danke für das Interview.

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