Giorgio Crobu

Giorgio Crobu
Giorgio Crobu
Giorgio Crobu "Abarossa"

Giorgio Crobu brachte sich das Gitarre spielen selbst bei, in dem in seiner Heimat Sardinien Platten von Joe Pass abhörte. Seit langem lebt er nun in Berlin, von wo aus er anfänglich die Gitarrenszene mit einem sehr Wes-ähnlichen Spiel beindruckte, das in seiner Perfektion dem Meister sehr nahe stand.

Heute erleben wir nach Veröffentlichung seiner ersten eigenen CD “Abarossa”, einem Meisterwerk, einen Gitarristen, der sich stark weiterentwickelt hat in Richtung der Stilistik von Jim Hall und Bill Evans. Sehr beeindruckend, wie dies auch durchgängig in Spiel und Komposition deutlich merkbar ist.

Giorgio, du bist in Oristano geboren. Das liegt an der Westküste von Sardinien. Du warst bereits mit 16 Jahren ein professioneller Musiker. Wie kommt ein Junge aus Sardinien dazu, Jazz zu spielen?

Stimmt, ich habe angefangen mit 8 Jahren und lange Zeit nur auf einer Seite der Gitarre gespielt; ich habe versucht, die damaligen italienischen Schlagermelodien nach zu machen. Irgendwann hat mir einer ein paar Akkorde gezeigt, da konnte ich die Schlager auch begleiten. Als ich 16 war, spielte ich schon in einer professionellen Band, das heißt, ich konnte mir das Brot verdienen. Aber schon als14-jähriger kam ich zum Jazz. Durch Zufall hörte ich Joe Pass und sofort dachte ich:  „Was ist das?“ und wollte das raus kriegen... also habe ich viele, viele Stunden gehört...

Du hast also Jazz spielen gelernt, in dem du ganz alleine versucht hast Joe Pass nachzuspielen? Und weiter?

Joe Pass war nur in die ersten Jahren, dann kamen Wes, Jim Hall und endlich Bill Evans. Ab Evans habe ich mich  mit  Voicings, Harmonie und rhythmischer Verfeinerung beschäftigt und lange kaum Gitarristen gehört... außer für eine kurze Zeit Lenny Breau. Das Ganze habe ich immer auch versucht nicht nur allein, sondern auch im Trio zu entwickeln, war eine Zeit  in "full immersion". Ich brauchte das und brauche es auch heute noch und ich danke Gott, dass ich die Möglichkeit hatte, das zu machen...

Gab es in Sardinien für dich auch die Möglichkeit Jazz vor einem Publikum zu spielen? Und wie kam es dann zu deinem Umzug nach Deutschland?

Ein Bisschen. Ich habe da in Sardinien ab und zu, nicht regelmäßig, live Jazz  gespielt...ein-zweimal im Monat. Es gab keine Jazzclubs und die Situation war oft unangepasst, das kennt ja jeder Jazzmusiker, aber wir haben trotzdem unser Trio weiter am Leben gehalten und viel, fast jeden Tag, einfach zu Hause gespielt...

Irgendwann habe ich mit einem Freund entschieden, weg zu gehen: Paris, Kopenhagen und Berlin kamen in Frage, weil wir dachten, das wären die besten Plätze, um Jazz zu spielen. Also, wir hatten eine Kontaktperson in Berlin und nach ein paar Wochen waren wir hier... und dann fing das Abenteuer an.. oh je!

Erzähl ein bisschen über deine erste Zeit in Berlin. Konntest du schnell Kontakte knüpfen zu Jazzmusikern dort?

Also, die erste Zeit in Berlin war die härteste Zeit meines Lebens, nach den ersten vier Wochen kein Geld, keine Wohnung, Hunger und kein Deutsch gekonnt. Nur ein bisschen Englisch. Dann habe ich auf der Straße gespielt, konnte dann wenigstens davon essen, aber ich dachte, dass mich mein Selbstvertrauen bald verlässt... Nach ein paar Monaten habe ich einen Brasilianer namens Edel getroffen, der hat mich in die brasilianische Szene rein gebracht und so spielte ich in vielen südamerikanischen Lokalen mit ihm. Ich habe viel gelernt, das war sehr gut und die Hauptsache war, dass das Leben nicht mehr so hart war.

Mit der Jazz-Szene hat es noch länger gedauert, ich war damals sehr schüchtern und verschlossen und das hat alles noch schwerer gemacht. Einmal hörte mich Hendrik Meurkens spielen und bat mich, mit ihm bei der Torsten Zwingberger Band zu spielen. Ab da waren meine Miete und meine Spesen  gut gedeckt. In der selben Zeit traf ich der Drummer Michael Clifton, er war in der Jazzszene richtig  drin. Mit ihm und Michael Bahner fing dann mein erstes Trio in Berlin an zu spielen. Das war das beste Gefühl das ich nach einer sehr langen Zeit hatte.

Das Spiel mit einem Trio aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, scheint so etwas wie dein roter musikalischer Faden zu sein; eine Konstante, die dich immer begleitet. Diese Besetzung ist für Gitarristen eine der schönsten, aber auch schwierigsten Herausforderungen. Was ist für dich persönlich das Schöne an dieser Art des Trios?

Mein musikalischer Ausdruck ist direkter Solo und im Trio. Ich kann die Musik einfach besser steuern, vorausgesetzt, dass der richtige Bassist und Drummer da sind. Klar, das in den Griff zu bekommen war ein langer Weg, aber das ist auch, was ich mochte und was ich heute noch mag.

In dieser Besetzung hast du ja auch deine ganz aktuelle CD „Abarossa“ aufgenommen. Ich kenne viele, die auf deine erste eigene CD gewartet haben. Erzählst du uns ein wenig über die CD?

Ja, obwohl ich glaube, dass viele Leute die mich kennen, mich meistens mit Swing Bands gehört haben, in denen eben der Swing im Vordergrund war. Vielleicht werden manche enttäuscht sein; dass die CD anders ist. Ich meine, auf der CD ist der Swing auch da, aber eben nicht so stark nach vorne gedrückt. Ich glaube, es ist der Selbe, aber einfach verfeinert. Darüber, wie die CD entstanden ist, kann ich sagen, dass für mich und Jimmi die Begegnung mit Salvatore sehr inspirativ gewesen ist, einem so sensiblen Drummer. Das hat so gut gepasst, das hat mir die Kraft und die Überzeugung gegeben, die CD zu machen. 

Lass uns ein bisschen über deine Gitarre sprechen. Ich habe dich noch nie ohne deine blonde L5 gesehen. Wo hast du sie her? Hast du eigentlich noch andere Gitarren?

Ja, ich habe noch meine L5, es ist eine alte, ich glaube von `63. Ich habe sie in Süddeutschland gekauft, in einer kleinen Stadt. Landshut? Sie klingt immer noch gut und ich habe mich sowieso an sie gewöhnt- Ich habe noch eine klassische von Fender mit Nylonsaiten, eine Fernandez Telecaster, die ist gut, weil ich damit nachts spielen kann, ohne laut zu sein und noch eine alte sehr schöne deutsche Gitarre von einem anonymen Erbauer. Diese Gitarren spiele ich aber nur zu Hause, auf den Gigs spiele ich nur die Gibson L5.

Das ist bestimmt Landsberg am Lech gewesen und der Händler hieß dann bestimmt Gory Hartl, ich habe bei ihm meine allererste Archtop gekauft. Welche Saiten spielst du auf der L5? Und welche Verstärker nimmst du?

Ja genau, da war’s! Landsberg! Also ich spiele D`Addario Chromes, Stärke 012 und ich spiele seit einem Jahr einen super Verstärker: "Unico" von Schertler, er ist eigentlich konzipiert worden für akustische Instrumente und Gesang, aber mit meiner Gitarre klingt er sehr gut...

Du hast mit vielen berühmten Musikern zusammen gespielt. Erzähl ein bisschen über die Begegnungen, die dir besonders wichtig waren oder besonders viel Spaß gemacht haben...

In den ersten Jahren habe ich viele amerikanische Musiker von der "Alten Schule", der Basie Band, begleitet. Das hat mir sehr viel gebracht: Die Professionalität, konstant und konzentrierter zu sein. Dann kamen verschiedene Konzerte mit Joe Pass, das war eine sehr schöne Zeit: Wir haben ja ständig zusammen gespielt, im Hotel, im Bandbus, Backstage... immer nur zwei Gitarren. Trotzdem weiß ich heute, dass das, was ich von ihm genommen habe, außerhalb der Gitarre lag: Das Bewusstsein, der Geruch von Niveau. Heute denke ich, dass es kein Zufall war, dass ich danach aus verschiedenen Projekten ausgestiegen bin, eben um diesem „Geruch“ besser folgen zu können.

Besonders wichtige Begegnungen waren, zum Beispiel als ich 20 war, ein Gitarrist in Rom namens Maurizio Lazzaro. Ich habe ihn leider nie wieder gehört; dann in Berlin, ich war 23, hörte ich den Saxophonisten Walter Gauchel. Ich war und bin noch heute sehr beeindruckt von seinem Spiel. Noch in der selben Zeit hat mich die feine Art des Pianisten Wolfgang Köhler beeindruckt. Was noch? Manchmal tut man wichtige Schritte durch unspektakuläre Sachen einfach so...

Was denkst du über Technik?

Ich habe oft darüber gedacht, das viele sagen, wenn einer schnell spielt: "Der hat sehr viel Technik". Wenn er langsam spielt hat er keine. Ich sehe das anders: Ob schnell oder langsam, wenn sich jemand mit dem Instrument gut ausdrücken kann, hat er eben eine gute Technik, wenn er sich nicht gut ausdrücken kann, hat er eben keine. Also, Jim Hall hat eine riesige  Technik, weil er sich sehr gut ausdrücken kann. Technik ist nicht für irgendeinen Zweck da, sie ist das Mittel, um sich auszudrücken.

Bleibt die Frage nach deiner Zukunft. Was hast du vor?

Na ja , für die Zukunft..., immer weiter spielen, eine andere CD aufnehmen und ein bisschen Komposition. Im Grunde ist das nicht anders, als wie ich bis heute gelebt habe. Ja, o.K. vielleicht sollte ich mich ein bisschen mehr um ein paar Jobs mehr kümmern, mal sehen, ich bleibe am Ball...

(18.04.2006)

Die Photos von Giorgio Crobu stammen von Violeta Pelivan, fotina03(at)yahoo.de 

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