Karl Allaut
Karl Allaut´s außergewöhnliche Karriere als Gitarrist ist mehr als ein Interview wert: Zunächst klassische Ausbildung in Münster, wo er von Kommilitonen bereits als “besonders talentiert” bezeichnet wurde. Er schrieb deutsche Rockgeschichte mit seinem kreativen Spiel in den Bands von Udo Lindenberg, Inga Rumpf, Marius Müller-Westerhagen, Stefan Remmler und Achim Reichel. Zahllose Studioproduktionen bekamen durch sein Spiel ihren letzten Schliff.
Mitte der 90er Jahre kehrt er dem Rock den Rücken zu, verschreibt sich dem modernen Mainstream-Jazz und beginnt, den Jazz-Klassikern sein ganz persönliches Leben ein zu hauchen.
Karl, die Besucher von Archtop-Germany interessieren sich neben dem Musiker und Menschen auch für das Equipment. Welches Equipment hast du derzeit im Einsatz?
Ich spiele eine 70er Super 400, die mit D´Addario Chromes bestückt ist. Es ist ein 12er Satz, ich benutze aber eine 13er E-Saite und eine 17er H-Seite, weil mir die aus dem normalen Satz zu dünn sind. Bei einem 13er-Satz währen mir die andern Saiten zu dick, vor allem die 56er. Mein Amp ist ein 64er Fender DeLuxe Reverb mit einem 12er Jensen Speaker, ein schöner alter Amp, reicht aber nicht immer aus. Vorgestern Abend habe ich noch damit im Birdland gespielt, der Laden war gerammelt voll. Dann kommt der Fender an seine Grenzen; klingt dann so nach Bratwurst ;-)) Vor allem wenn die Leute im Winter auch noch Mäntel und so dabei haben, wird ganz schön Schall geschluckt. Da an dem Abend keine leere Bierkiste für mich da war, auf den ich den Amp gerne stelle, hatte ich ganz schön mit dem Sound zu kämpfen. Ich musste ihn so weit aufdrehen, das er schon begann zu zerren. Obwohl, manchmal klingt das gar nicht so schlecht. Du kennst doch bestimmt diese Live-Aufnahme von Wes Montgomery auf Verve. Ich glaube es ist “Four on Six”, da beginnt sein Amp auch etwas zu verzerren. Klingt ganz geil. Aber normalerweise höre ich das nicht so gerne.
Wie nimmst du deine Musik bei Aufnahmen ab?
Einfach nur mit Mikrofonen. Wichtig dabei ist halt der Standort der Mikros. Auch die Aufnahmen meines Quartetts werden nur Live mit Raummikros gemacht; hier bei mir zu Hause. Gerade bei der Trompete kommt es da auf Zentimeter an, die ist schnell zu laut oder zu leise. Das Ganze ist das schnell aufzubauen und durchzuchecken, ca. 10 Minuten. Außerdem merkt man so manchmal gar nicht mehr, dass Aufnahmen gemacht werden und denkt gar nicht mehr daran. Mein Freund Bernd Vogelsang sitzt im Nebenraum und startet das Recording-Equipment, so dass ich auch da nichts mit zu tun habe.
Wie bist du eigentlich dazu gekommen, auf einer großen Archtop Jazz zu spielen? Du bist ja in Deutschland berühmt geworden für deine großen Erfolge mit Lindenberg, Westernhagen und anderen.
Ich habe schon sehr früh, auch bei Lindenberg, “im weitesten Sinne” Archtop gespielt, nämlich eine ES 335. Diese Art von Gitarren fand ich immer schon irgendwie schön. Dann habe ich irgendwann eine Gretsch 6120 gekauft, die habe ich jetzt immer noch, aber die konnte ich nicht richtig einsetzten, sie lag dann 3-4 Jahre nur rum, ich habe mal dicke, mal dünne Saiten drauf gemacht, sie mal mitgeschleppt zur Probe. Irgendwie bekam ich das Ding nicht in den Griff. Irgendwann habe ich sie dann aber konsequent benutzt und mich auch auf das Feedback eingelassen. Ich habe dann gemerkt, dass man das unter Kontrolle kriegen kann. Der sehr offene Klang dieser Gitarre hat mir auch gut gefallen und plötzlich war sie meine Lieblingsgitarre. Ich habe sie fast zwei Jahre ausschließlich gespielt. Danach war es eine 62er Epiphone Casino. Irgendwann hatte ich dann Lust, ein Modell mit Vollzarge auszuprobieren. Meine erste war eine ES 300, eine wunderschöne von 1946... ich hatte noch eine zweite davon, in Blond, eine 50er mit zwei Tonabnehmern; die habe ich dann auch versucht einzusetzen, was aber noch schwieriger war. Mein Interesse für Jazz wurde langsam immer größer; ich habe dann die Rockmusik sein gelassen, da ging das mit diesen Gitarre natürlich wesentlich besser. Meine Super 400 habe ich von einem meiner Schüler bekommen. Er wollte sie loswerden, weil sie ihm zu schwer war. Außerdem stand er eher auf ES175. Ich hatte eine schöne 58er ES 175 in Blond. Da haben wir einfach getauscht. Ich bin dann auf der S 400 ganz gut zurecht gekommen, obwohl ich auch nicht unbedingt auf diese Gitarre stehe; sie ist mir eigentlich zu schwer und zu groß. Ich hätte viel lieber eine schöne L5.
Wenn ich dich begleiten höre auf deiner CD, habe ich den starken Eindruck, dass du sehr pianistisch denkst; sehr kreativ und eher linear.
Ich bin sehr von Bill Evans beeinflusst. Das ist einer meiner absoluten Lieblingsmusiker zusammen mit Miles Davis und Cannonball Adderly. Ich habe viel von Evans Spielweise auf der Gitarre nachempfunden; nachmachen kann man es letztlich natürlich auf der Gitarre nicht, die Stimmführungen sind eben anders. Ich begleite auch wahnsinnig gerne und höre den anderen zu. Bei der Begleitung habe ich auch eine spezielle Technik: Ich spiele meistens dreistimmig, wobei ich das Plektrum zwischen Daumen und Zeigefinger behalte und Mittel- und Ringfinger für die anderen Töne nehme. Ich lege auch gerne Töne wie z.B. kleine Nonen in die Bassstimme. Wenn ich vierstimmige Akkorde spiele, streiche ich entweder alle Saiten mit dem Plektrum oder zupfe weiterhin mit Mittel- und Ringfinger und streiche zwei Saiten mit dem Plektrum. Das reicht mir aus: Gerade die Dreistimmigkeit oder auch manchmal nur eine Zweistimmigkeit finde ich elegant. Man kann das in der Linienführung schneller weiterentwickeln. Das habe ich mir übrigens selbst so beigebracht; ich hatte keinen Lehrer dafür.
Du hast ja klassische Gitarre in Münster studiert. Kommilitonen von dir haben mir erzählt, das du bereits dort ein arger Überflieger warst.
Ja, was klassische Gitarre anbelangt, da habe ich mich damals wahnsinnig reingestürtzt. Heute gar nicht mehr, ich habe auch nicht mehr die Fingernägel dazu. Ich könnte das heute auch gar nicht mehr spielen. Ab und zu höre ich aber noch gerne Barock- und Rennaisance-Musik.
Welche Einflüsse von damals sind dir heute noch für dein Spiel wichtig?
Ich war immer recht gut in Tonsatz und Gehörbildung und kann mehrere Stimmen gleichzeitig verfolgen. Das ist natürlich ein gewisses Plus, das ich natürlich gerade im Jazz auch gut einsetzen kann. Akkordstrukturen sind für mich sehr durchsichtig, ich sehe sie eher linear. Ich begleite ja auch so, eben nicht akkordisch, ich führe Stimmen zu einander. Es ist durchaus möglich, dass das ein Einfluss aus meinem klassischen Gitarrenstudium ist.
Gibst du auch Workshops und Unterricht?
Über Workshops habe ich noch gar nicht nachgedacht. Unterricht gebe ich sehr gerne, das macht mir wirklich Spaß. Da lerne ich sogar selber immer wieder noch was dazu. Man bekommt oft Fragen von den Schülern gestellt, über die man vorher noch nie nachgedacht hat.
Es ist ja eine unheimlich interessante Karriere: Ein klassisch ausgebildeter Gitarrist macht in der Rockmusik Karriere und landet im Jazz. Pflegst du noch alte Kontakte aus deiner Rock-Ära?
Nein, eigentlich kaum. Letztlich habe ich noch mal Steffi Steffan getroffen. Ich sehe natürlich dann und wann jemanden aus der Zeit, da sagt man natürlich hallo, aber musikalisch gibt es da keine Kontakte, dazu habe ich mich zu weit von dieser Musik entfernt.
Und in der Jazzszene? Welche Leute liegen dir da nahe?
Es gibt hier in Hamburg viele richtig gute Jazzmusiker - auch Gitarristen. Es war deshalb auch unheimlich schwer für mich, hier einen Platz zu “erobern”. Ich hatte ja einen Namen in der Rockszene, aber in der Jazzszene war ich anfangs ein ganz kleines Licht. Viele Leute wollten damals auch gar nicht mit mir Jazz spielen, weil ich es noch nicht gut genug konnte. Es war schwer, sich da Respekt zu erkämpfen. Gottseidank ist das jetzt mittlerweile anders. Um die Musiker die heute mit mir spielen zu binden, muss man einfach gut genug sein, sonst spielen die mal einen Gig mit und das wars. Joachim Gerth hat mir anfangs wahnsinnig geholfen; mit allem. Ohne ihn hätte ich das alles sicher nicht geschafft. Er hat mir viele Kontakte ermöglicht. In der hiesigen Szene sind die Gigs die ich heute spiele eher klein, vor allem im Verhältnis zu dem, was ich vorher gemacht habe. Aber die kleinen Jobs vor einem wirklich zuhörendem Publikum, machen am meisten Spaß. Leider stimmt das Geld bei genau diesen Gigs eben nicht. An Fusion oder anderen moderneren Richtungen bin ich eher gar nicht interessiert. Ich möchte gerne den “Modern Mainstream” für mich weiterentwickeln auf einer natürlichen Basis mit natürlichen Instrumenten. Bestimmte Aufnahmen von Bill Evans oder Miles Davis sind einfach zeitlos, fast wie klassische Musik, das wird auch in 100 Jahren noch gehört werden. Diese Musik muss man erst mal nachvollziehen, bevor man versuchen kann, einen Schritt weiter zugehen. Zumal man auch erst einmal musikalisch dort ankommen muss, um die Perspektive zu entdecken, wo es weitergehen könnte. Davon bin ich fest überzeugt, wohingegen das was heute “neu” gemacht wird kaum eine Chance haben dürfte, die Zeiten zu überdauern. Natürlich gibt es da Ausnahmen, aber an der Fülle des Materials gemessen, ist da kaum was.
Da sind wir ja fast schon mitten im Thema “Eimsbusch-Rehearsels Vol. I”. Diese Quartett-CD hast du bei dir zu Hause aufgenommen und stellst sie auch selbst her. Ich finde sie sehr hörenswert.
Die CD wird sehr gut angenommen, es ist tatsächlich so, dass ich bei einem Gig vor 30 Leuten nachher oftmals bis zu 20 CDs verkaufe. Die Leute kommen auch wieder. Es wird bereits öfters nach Vol.II verlangt. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Monaten Gelegenheit findet, neue Aufnahmen zu machen. Meine Perspektive: Ich möchte einfach weitermachen; mich selber weiter verbessern, die Band populärer machen. (12.02.2006)