AER Compact 60

Die Recklinghauser Firma AER produziert seit Jahren Verstärker für akustische Instrumente, die sich durch hochwertige und natürliche Übertragung sowie praxisgerechte Ausstattung einen guten Ruf in der Szene erobert haben.

Waren die ersten Produkte noch im Hochpreis-Segment angesiedelt, ist seit einigen Jahren der Trend zu preiswerteren Verstärkern erkennbar, die aber die Markenwerte dennoch transportieren sollen.

Hochwertig und natürlich? So sollten doch auch Archtops verstärkt werden. Grund genug zu testen, wie sich die Verstärker mit diesem Instrumententyp vertragen.

Äußerlichkeiten

Mein Compact 60 ist einer der kompaktesten Kofferverstärker mit bühnengerechten Leistungsdaten, die ich kenne. Hier macht sich der mit 8’’ sehr kleine Lautsprecher positiv bemerkbar. Das robuste Holzgehäuse ist mit schwarzem Strukturlack überzogen, die Elektronik selbst sitzt in einem weiß lackierten Metallgehäuse. Regler und Anschlussbuchsen machen einen hochwertigen und robusten Eindruck. Der Speaker ist mit einem Lochblech mit aufgeklebtem Schaumstoff optimal geschützt. Am integrierten Schalengriff lässt sich der mit 9 kg angenehm leichte Koffer gut tragen. Am Gehäuseboden ist ein Gewinde eingelassen, um den Amp auf eine Standard-Mikrofonständer zu montieren. Eine gepolsterte Hülle wird mitgeliefert, zusätzlich kann auch eine Tasche mit Schulterriemen erworben werden.

Ausstattung

Der kleine Verstärker besitzt zwei in der Lautstärke regelbare Kanäle, wobei Kanal 1 mit Klinkeneingang und Dreiweg-Klangregelung für die Verstärkung von Instrumenten optimiert wurde. Hier finden sich je ein Schalter für die Anpassung der Eingangslautstärke sowie ein „colour“ bezeichnetes Preset für die Klangregelung, das einer Loudness-Taste bei Hifi-Anlagen (Mitten raus, Höhen und Bässe verstärkt) entspricht.

Kanal 2 mit seiner Zweiweg Klangregelung und einer XLR-Klinkenkombibuchse mit 24 Volt Phantomspeisung auf die Verstärkung von Mikrofonen ausgelegt, man kann aber hier ebenfalls die Gitarre anschließen. Ein digitales Effektgerät mit vier Presets (2 x Hall, Chorus + Hall, Flanger) lässt sich in der Lautstärke regeln sowie anteilig den Kanälen zuordnen. Die Anschussmöglichkeiten sind mit Einschleifweg, Fußschalteranschluss, DI Out (ohne Effekte), Line Out (mit Effekten) sowie Klinkenbuchsen für Stimmgerät und Kopfhörer vollständig.

Praxis

Der kleine Würfel verstärkt eine angeschlossene Archtop sehr ehrlich, offen und mit erstaunlichem Druck. Ich selbst spiele eine Ibanez, hatte aber auch schon Gelegenheit, den Amp mit einer Benedetto Manhatten zu füttern. Beide Instrumente werden sehr exakt, luftig und transparent verstärkt. Schön ist vor allem, dass auch die Höhen des Instruments warm und realistisch wiedergegeben werden, ein Polytone klingt dagegen richtig topfig. Mit der Klangregelung kann man den Klang aber auch in diese Richtung verbiegen, wenn es denn sein muss. Ich nehme seit einiger Zeit meine Gitarre immer direkt auf, der AER holt diesen Sound besonders bei aktiviertem Colour-Schalter sehr schön auf die Bühne und ist laut genug, mittlere Clubs zu beschallen und sich auch gegen einen Schlagzeuger durchzusetzen. Ich hatte in der Praxis keine Probleme bei Konzerten mit ca. 100 Zuhörern. Braucht man mehr Lautstärke, lässt er sich über DI- oder Line-out einfach mit einer größeren Beschallungsanlage verbinden. Sicherlich ersetzt er keinen Röhrenverstärker, der hat einfach eine ganz andere Charakteristik, formt den Klang der Gitarre wesentlich mehr (und produziert dabei sehr gerne schon früh Feedbacks). Bei den Effekten wird man wohl am ehesten einen dezenten Hall benutzen, um dem Klang ein wenig Luft und Raum zu geben – was gut funktioniert und meines Erachtens besser kingt als ein kultig-scheppernder Federhall. Wie gesagt, hier geht es um Natürlichkeit, wer den Klang verbiegen möchte, wird mit anderen Verstärkern glücklicher. Auch das Preset Chorus + Hall klingt gut, wenn man das mag.

Mit dem zweiten Kanal lassen sich einige Dinge anstellen, z.B. ein Gesangsmikro vollwertig verstärken, um in George Benson Manier die eigenen Soli mitzusingen (oder einfach für Ansagen) oder auch, um zusätzlich das Instrument mit dem Mikrofon abzunehmen, um eine noch natürlichere Wiedergabe zu erreichen. Die unscheinbare Gewindebuchse am Gehäuseboden ist sehr praktisch, denn sie erlaubt es, mithilfe eines Mikroständers den Verstärker wesentlich besser zu platzieren, um sich zu hören und gehört zu werden.

Ich habe auch mal versucht, wie sich der Verstärker mit anderen Instrumenten anfühlt: Eine Lapsteel-Gitarre wurde sehr gut wiedergegeben, ebenso war es möglich, Stratocaster und Telecaster zu verstärken, das gibt natürlich wieder den Direkt-ins-Pult-Sound. Akustische Gitarren mit Tonabnehmer sind auch kein Problem – dafür wurde der Amp ja konzipiert. Bassgitarre und Fender Rhodes funktionierten nicht, da fehlt es dann doch an Volumen.

Kritikpunkte

Der Verstärker ist mit rund 800 Euro nicht ganz billig, der Gehäuselack ist etwas kratzanfällig und ein Vintage-Ton wie von einem guten Röhrenverstärker ist hier nicht möglich. Verzerrer klingen aufgrund des Breitbandlautsprechers schlimm.

Fazit

Der AER Compact ist ein kompakter, leichter und hochwertig-natürlich klingender Verstärker, der sich auch mal in der U-Bahn leicht transportieren lässt. Den Sound würde ich als modern und direkt bezeichnen. Durch die Möglichkeit, zusätzlich ein Gesangsmikrofon auf clubgerechte Lautstärke zu verstärken, macht er das Musikerleben im Club oft leichter – eine Gesangsanlage wird - zumindest für Gelegenheitseinsätze nicht mehr benötigt. Wechselt man bei einem Stück mal zur Flat-Top, wird diese auch optimal verstärkt. Die Bedienungselemente und Anschlüsse sind überschaubar und praxisgerecht.

Verglichen mit dem „Standard der Jazzgitarrenverstärkung“, dem Polytone, bietet der AER meiner Meinung nach den besseren Sound, mehr Einsatzmöglichkeiten und ein besseres Preis-Leistungsverhältnis.”

von: Stephan Neetenbeek