Striebel 19" Master 4000

Joe Striebel gehört zu den modernen Gitarrenbaumeistern. Seine Modelle wurzeln jedoch in altehrwürdigen Traditionen. So basiert seine Master 4000 auf der wohl größten Archtop, die überhaupt je gebaut wurde: Der Stromberg Master 400. Charles Stromberg und sein Sohn Elmer waren in ihrer Zeit bekannte und hervorragende Hersteller von akustischen Archtops. Leider gibt es von ihnen nur ca. 680 Gitarren. Die Master 400 bestach durch ihren 19´´-Korpus mit einem sehr lauten und kräftigem Ton. Dadurch war sie in den großen Orchestern sehr beliebt in der Anwendung. Freddie Green war wohl derjenige Gitarrist, den man noch am ehesten mit diesem Instrument in Verbindung bringt; aber auch Mundell Lowe spielte zeitweise eine Master 400.

In einer Zeit, in der die notwendige Lautstärke nicht mehr durch die Größe des Korpus, sondern durch den Regler am Verstärker bestimmt wird, ist die rein akustische Archtop etwas für Spezialisten. Und eine akustische 19´´ (48,5 cm) ist etwas für ganz besondere Spezialisten. Wie groß diese Gitarre wirklich ist, kann man eigentlich nur tatsächlich feststellen, wenn man sie in der Hand hat und spielt. Da muss man ganz schön um den Korpus herumlangen. Die Größe der Master 4000 wird durch das Fehlen eines Cutaway optisch noch verstärkt.

Um so interessanter, wenn ein recht junger Gitarrenbaumeister wie Joe Striebel ein solches Modell in seine Fertigungspalette aufgenommen hat.

Wie bei allen Striebel-Instrumenten, ist auch die Decke der Master 4000 aus gleichmäßig gemaserter Alpenfichte. Sie wurde aus zwei Hälften spiegelbildlich gegeneinander verleimt und gleichmäßig von Hand aus dem Vollen geschnitzt. Die Decke wurde durch ein X-Bracing verstärkt. Ergänzend dazu hat die Decke auch noch im oberen und unteren Deckenbereich Querleisten, was der Stabilität der großen Decke zu gute kommt. So ist eine dünnere Ausführung der Decke möglich, was der Lautstärke zu gute kommt. Die siebenfache Einfassung der Decke ist sehr sauber und fein ausgeführt. Zargen (10 cm hoch !!) und Boden sind aus massiven geriegeltem Ahorn mit sehr schöner Flammung geschnitzt und gebogen.

Der Hals besteht ebenfalls aus Riegelahorn und ist von der Kopfplatte bis zum Griffbrettende einteilig.  Er ist wie bei allen Striebel-Modellen nicht mit dem Korpus verleimt, sondern verschraubt. das Griffbrett besteht aus dunklem Ebenholz und hat 21 Bundstäbchen, die absolut exakt und sauber abgerichtet sind. Die vergoldeten Mechaniken im “Stairstep-Stil” setzen dem Hals sozusagen die Krone auf.

Die Lackierung in Blond, selbst ausgeführt und makellos, lässt die Gitarre in einem warmen Honigton erscheinen, andere Lackierungen sind möglich.

Aber wie klingt nun solch ein riesiges Instrument: Die Gitarre hat mächtig “Wums”. Starke Bässe, kräftige obere Mitten und auch viel Brillianz. Die Tonansprache ist sehr schnell. Das Instrument braucht allerdings dicke Saiten, also mindestens 013er, da eine solche große Decke viel Power fordert. Dafür hat Striebel die Mensur etwas kürzer gehalten (630 mm). Das fördert das Spielgefühl: Und das ist trotz der Größe der Gitarre recht angenehm. Der flache D-förmige Hals liegt gut in der Hand und benötigt kein Eingewöhnen, dafür hat man aber zunächst etwas Probleme mit dem rechten Arm, denn der ist Anderes gewohnt. Nach ein paar Minuten ist das aber ok. Die Mühe wird belohnt durch den mächtigen Sound, den die Gitarre abgibt. Ein paar “Four to the bar” im Freddie Green Stil kommen so, wie man sie hören möchte: Laut und kräftig, durchsetzungsfähig. Aber auch andere Spielweisen sind sehr hörenswert: Begleitung mit Walkingbass-Läufen a´la Joe Pass hat ein ganz besonderes “Bassgefühl” während die Chords glockig daherklingen. Auch Singlenotes sind fein nuanciert im ganzen Frequenzspektrum. Wie mag diese Gitarre erst mal klingen, wen sie eingespielt ist?

Leider hatte ich keine Möglichkeit, die Gitarre mit einem PU zu testen, aber hier weiß ich, dass alle Striebel-Modelle damit noch gewinnen.

Fazit:

Die Master 4000 ist nichts für Gitarristen die es bequem und einfach haben wollen; diese Gitarre möchte “gespielt” werden und fordert das auch vom Spieler ein. Dafür wird man aber mit einer Klangfülle und -frische belohnt, die sich hören lassen kann. Sie ist keine Kopie, sondern ein typisch Striebel´sches eigenständiges Instrument, das sich auf die großen alten Meister bezieht. Wie immer kommt auch Striebels Detailliebe nicht zu kurz.

von: Andreas Polte