Striebel 18" Niña

Während eines Besuchs bei Johannes Striebel in Wolfratshausen hatte ich Gelegenheit, verschiedene Modelle von Johannes Striebel zu spielen. Da seine anderen Modelle bereits ausgiebige Testberichte erhalten haben, beschränke ich mich hier auf das neue 18´´-Modell.

Der Name der Gitarre ist “Niña” (wobei das 2. n ein spanisches n mit Tilde darüber ist, gesprochen “nj”). Wenn man sich die unglaublich feine und schön gearbeitete Perlmutt- einlage des Headstocks anschaut, welche ein altes spanisches Segelschiff auf hoher See darstellt und weiß, das das Flagschiff von Columbus eben diesen Namen hatte, wird klar, was Joe Striebel meint.

Und in der Tat, trotz seiner noch größeren 19´´ Archtop, der “Master 4000”, scheint die “Niña” das neue Flagschiff in Striebels Modellpalette zu sein. Ich habe selten eine schönere Gitarre gesehen (dies ist natürlich vollkommen subjektiv). Auch in jeder anderen Hinsicht hat mich die Gitarre sehr überzeugt. Nun zu den Einzelheiten:

Die Decke der Gitarre besteht aus massiver Alpenfichte und ist, wie bei Striebel üblich, handgeschnitzt. Ein feines und wichtiges Detail sticht erst bei genauem Hinsehen ins Auge: Im unteren Bereich ist dezent die Ausschnitzung einer Hohlkehle zu erkennen, in der Art, wie wir es in deutlicherer Form bei den Gitarren von Artur Lang finden können. Dies bewirkt eine etwas größere Lautstärke der Gitarre. Joe Striebel hatte bei Restaurationen von etlichen Lang-Gitarren die Möglichkeit, deren Aufbau und Maße genau zu studieren. Man kann vielleicht sagen, dass Striebel in diesem Bereich das Beste der beiden verschiedenen Gitarrenbau- traditionen zusammengeführt hat.

Das Binding der Decke ist 7-Lagig und ausgesprochen sauber ausgeführt. Auch die F-Löcher haben ein Binding. Der Steg ist aus Ebenholz gefertigt und mit zwei Perlmutteinlagen verziert. Der vergoldete Saitenhalter ist dezent und fügt sich dem stimmigen Gesameindruck der Gitarre. In die Decke montiert ist ein Häussel “Sagmeister” Humbucker.

Boden, Zargen und Hals bestehen aus Riegelahorn.Das Binding des Bodens ist einfach ausgeführt und trägt damit der Tatsache rechnung, dass man sich die Gitarre in der Regel von vorne ansieht. Außerdem ist ein Mehrfachbinding ja schließlich auch kostenintensiver...

 
 
 

Die Zargen haben eine Höhe von 8,5 cm. Diese überdurchschnittliche Zargenhöhe sorgt für eine gehörige Portion “Schub” in den unteren Frequenzen. Das Griffbrettt besteht aus Ebenholz und hat 20 Bünde. Auch hier zeigt sich die von Joe Sriebel gewohnte absolut sorgfältige Verarbeitung. Die Parallelogramm - Perlmutteinlagen im Griffbrett sind eine Hommage an die Gitarren von Artur Lang - hier schließt sich der Kreis zur Deckenkonstruktion - sehr stimmig überlegt. Allerdings sind die Parallelogramme noch sorfältiger verarbeitet und durch einen millimeterbreiten Streifen unterteilt; im 12. Bund sind es zwei Streifen. Die Mensur beträgt 64,5 cm und liegt damit um einen halben Cm unter den Maßen einer S400. Die Halsbreiten betragen 4,3 cm im ersten Bund und 5,2 cm im 12. Bund. Die Mechaniken sind Schaller Special Stair Steps.

Die Lackierung der Gitarre ist sehr schön gelungen; der Farbton ist ein dezentsattes Honigblond, welches besonders mit den vergoldeten Parts harmoniert.

Zum Sound: Erste Tester zeigten sich begeistert vom kräftigen,akustischen Ton und von der sehr schnellen Ansprache beindruckt. Dies kann ich nur bestätigen. Die Gitarre hat deutliche Höhen, ausgewogene Mitten und wie gesagt, einen kräftigen Schub Bässe, was diese Gitarre für alle Anwendungsgebiete als sehr tauglich gelten lässt. Verblüffend war die große Durchsetzungskraft und enorme Lautstärke der Gitarre, trotz in der Decke montierten Pickup. Da hatte die Testreferenz-Gitarre, eine Gibson S400, nicht viel gegen zu melden!. Die Nina ist trotz des Pickups durchaus wie eine vollakustische Archtop einsetzbar.

Elektrisch gespielt, verhält sie sich etwas sanfter, was ich unbedingt für einen Vorteil halte, da hier Reserven unbegrenzt zur Verfügung stehen. Hier lassen sich auch sehr sanfte und weiche Töne nur durch einen veränderten Anschlag sehr überzeugend rüberbringen. Andererseits kann sie auch in dieser Spielart durchaus ihre eigentliche Durchsetzungskraft gut vermitteln. Der PU von Häussel ist damit eine gute Wahl für dieses Instrument.

Fazit: Die “Niña” ist ein Meisterwerk; von einem jungen Meister geschaffen und durch einen alten Meister inspiriert - mit überzeugender Optik und ebensolchem Klangverhalten. In eingespieltem Zustand werden sich alle ihre guten Klangeigenschaften noch verstärken und miteinander verweben. Einen Glückwunsch an Joe Striebel für dieses Instrument und ebenso an jeden Käufer. Im Verhältnis zu dem, was dieser für sein Geld bekommt, fällt der Preis recht moderat aus: In der vorliegenden, aufwendig verzierten Fassung beträgt der Preis 5.350,00 EUR. Die Grundversion mit gleichen Klangeigenschaften gibt es bereits ab 3.600,00 EUR. Damit ist die Gitarre natürlich kein regelrechtes Schnäppchen, aber ich kenne sehr viele Gitarren, die für viel mehr Geld weniger an Klang und Gitarre bieten.”

von: Andreas Polte, 10.04.2005